Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Rdn 105
Literaturhinweise:
Ipsen, Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nach der Förderalismusnovelle, NJW 2006, 2801
Müller-Dietz, Gesetzgebungszuständigkeiten für den Strafvollzug, ZRP 2005, 156 ff.
Rotthaus, Bedeutung des Strafvollzugsgesetzes für die Reform des Strafvollzugs, NStZ 1987, 1.
Rdn 106
1.a) Während sich das Strafvollstreckungsrecht mit dem "Ob" und "Wann" der Sanktionsvollstreckung befasst, regelt das Strafvollzugsrecht das "Wie" des Vollzugs der freiheitsentziehenden Maßnahme (vgl. BeckOK-StVollzG/Gerhold, Einl. Rn 3). Zu den das Strafvollzugsrecht betreffenden freiheitsentziehenden Maßnahmen zählen
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die Freiheitsstrafe gem. § 38 f. und 43 StGB, |
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die Jugendstrafe gem. §§ 17 f. JGG, |
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die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB, |
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die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB, |
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die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gem. § 66 StGB und |
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– sofern der Vollzug in einer Justizvollzugsanstalt stattfindet – der militärische Strafarrest gem. § 9 WStG. |
Rdn 107
b) Das StVollzG wurde 1977 geschaffen, um dem in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen Gebot des Gesetzesvorbehalts, nachdem Grundrechte nur durch oder aufgrund von Gesetzen eingeschränkt werden dürfen, Rechnung zu tragen. Da bis dahin keine entsprechende gesetzliche Grundlage für die Art und Weise der Vollstreckung freiheitsentziehender Sanktionen existierte, erklärt das BVerfG den Strafvollzug, der bis dahin auf der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis beruhte, mangels gesetzlicher Grundlage für verfassungswidrig (BVerfG NJW 1972, 811 f.; Rotthaus NStZ 1987, 1).
Rdn 108
2.a) Mit dem vierten Strafvollzugsänderungsgesetz vom 26.8.1998 (BGBl. I 1998, 2461) wurden mit den §§ 179 – 187 StVollzG datenschutzrechtliche Vorschriften im StVollzG implementiert (→ Daten, Datengewinnung, Strafvollzug, Bundesrecht, Teil D Rdn 111 ff.), um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch im Strafvollzug gesetzlich zu regeln (vgl. BVerfGE 65, 1 ff. = NJW 1984, 419 ff.; Kaiser/Schöch, § 7 Rn 217). Über Strafgefangene werden zahlreiche personenbezogene Daten aus unterschiedlichsten Gründen gesammelt, was es erforderlich macht, stets abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Resozialisierung als Vollzugsziel gem. § 2 StVollzG der jeweiligen Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bei Strafgefangenen überwiegt (vgl. BeckOK-StVollzG/Beck, § 179 Rn 2 f.). Die Gesetzgebungskompetenz für das Strafvollzugsrecht oblag bis 2006 dem Bund. Grds. ist zu beachten, dass die Vorschriften des 5. Teils des StVollzG immer dann zur Anwendung kommen, wenn das jeweils betroffene Bundesland nicht von seinem im Zuge der Förderalismusreform I vom 28.8.2006 geschaffenem Recht Gebrauch gemacht hat, ein eigenes Strafvollzugsgesetz zu schaffen. Die Gesetzgebungskompetenz für den Straf- und Untersuchungshaftvollzug wurde gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. Art. 70 GG auf die Länder übertragen (Ipsen NJW 2006, 2801, 2804; kritisch Müller-Dietz ZRP 2005, 156, 157 f.).
Rdn 109
b) Die folgenden Bundesländer haben bislang kein eigenes Strafvollzugsgesetz geschaffen, weshalb die Regelungen des StVollzG zur Anwendung kommen für:
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Berlin, |
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Bremen, |
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Nordrhein-Westfalen, |
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Sachsen-Anhalt und |
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Schleswig-Holstein. |
Rdn 110
Zwar liegt seit 2011 von zehn Bundesländern ein gemeinsamer Musterentwurf für ein gemeinsames Strafvollzugsgesetz vor, dieser ist jedoch noch nicht verabschiedet worden. Von der Möglichkeit ein jeweils eigenes Jugendstrafvollzugs-, Untersuchungshaftvollzugs- und Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz zu schaffen, haben hingegen alle 16 Bundesländer Gebrauch gemacht (vgl. hierzu → Datengewinnung, Strafvollzug, Landesrecht, Teil D Rdn 138 ff.).
Siehe auch: → Maßregelvollzug, Allgemeines, Teil C Rdn 1 m.w.N.; → Strafvollzug, Erwachsene, gerichtliche Entscheidung, Allgemeines, Teil C Rdn 179 m.w.N.; → Daten, Datengewinnung, Strafvollzug, Bundesrecht, Teil D Rdn 111; → Daten, Datengewinnung, Strafvollzug, Landesrecht, Teil D Rdn 138; → Daten, Rechtsschutz, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. den §§ 109 ff. StVollzG, Teil D Rdn 317; → Daten, Rechtschutz, Rechtsbeschwerde gem. den §§ 116 ff. StVollzG, Teil D Rdn 338.