1 Leitsatz
Werden die einem Teileigentum zugeordneten Räume bewohnt, ist vorstellbar, dass die dadurch hervorgerufenen Störungen nach einer typisierenden Betrachtungsweise nicht anders sind, als die durch den Gebrauch und die Benutzung der Räume zu gewerblichen Zwecken hervorgerufenen Störungen. In diesem Fall dürfen die Räume bewohnt werden.
2 Normenkette
§§ 1 Abs. 3, 10 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K klagt gegen Teileigentümer B auf Unterlassung. Teileigentümer B vermietet nämlich die in seinem Eigentum stehenden Räume zu Wohnzwecken an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste. Wohnungseigentümer K meint, B verstoße damit gegen die Benutzungsvereinbarung, die in der Wohnungseigentumsanlage für das Sondereigentum des B gelte.
Das AG weist die Klage ab. Eine vom vereinbarten Nutzungszweck abweichende Nutzung sei zulässig, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr störe als die vorgesehene Nutzung. Dies sei der Fall. Dass die Kurzzeitvermietung baurechtswidrig sei, sei unerheblich. Jedenfalls könne sich K darauf nicht berufen. Gegen dieses Urteil wendet sich K.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 WEG sei jeder Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zwar verpflichtet, Vereinbarungen einzuhalten. Nutze ein Eigentümer seine ihm als Teileigentum zugewiesene Einheit zu Wohnzwecken oder umgekehrt eine ihm als Wohnungseigentum zugewiesene Einheit zu anderen Zwecken, könne von ihm daher grundsätzlich Unterlassung dieser Nutzung verlangt werden (Hinweis auf BGH, Urteil v. 16.7.2021, V ZR 284/19, Rn. 19). Im Fall sei die Vermietung aber zulässig, weil sie nach typisierender Betrachtungsweise nicht mehr störe als die zulässige Benutzung.
Für die Prüfung sei maßgeblich, welche Benutzung der Räume nach der Gemeinschaftsordnung zulässig sei (Hinweis auf BGH, Urteil v. 16.7.2021, V ZR 284/19, Rn. 29). Eine Auslegung ergebe, dass die Gemeinschaftsordnung insoweit keine weiteren Einschränkungen enthalte. Die Bezeichnung des Teileigentums als "Lager" im Aufteilungsplan bzw. der Abgeschlossenheitsbescheinigung enthalte nämlich keine Nutzungsbeschränkung (Hinweis auf LG Frankfurt a. M., Urteil v. 14.3.2019, 2-13 S 108/18, ZWE 2019 S. 279; LG Berlin, Urteil v. 14.9.2018, 55 S 201/13, ZWE 2019 S. 42). Hiergegen spreche insbesondere die nach der Gemeinschaftsordnung dem Inhaber des Sondereigentumsrechts umfassend eingeräumte Ausbauberechtigung. Wie die Räume konkret genutzt würden, sei für die Vergleichsbetrachtung unerheblich, da es um die Auslegung einer im Grundbuch eingetragenen Erklärung gehe, die eine generalisierende Betrachtungsweise gebiete.
Das bedeute im Übrigen nicht, dass jede von einer zulässigen Nutzung von Wohn- und Teileigentum ausgehenden Beeinträchtigung von den anderen Wohnungseigentümern hingenommen werden müsse. Begrenzt werde die der Zweckbestimmung entsprechenden Nutzung durch die Verpflichtung, vom Sondereigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwachse. B sei daher gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen der Vermietung seiner Räume an wechselnde Feriengäste/Mieter nicht hinzunehmende Störungen unterbleiben.
5 Hinweis
Problemüberblick
B darf nach den Vereinbarungen der Wohnungseigentümer seine Räume weder zu Wohnzwecken selbst gebrauchen noch nutzen, mithin vermieten. Gegen diese Verpflichtung verstößt B, da er die Räume offensichtlich nicht im Sinne des WEG gewerblich benutzt, sondern Mietern tage- oder wochenweise zu Wohnzwecken zur Verfügung stellt. Dadurch verstößt B gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen seine Verpflichtung aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG, sich an die Vereinbarungen zu halten.
Gegen einen solchen Pflichtverstoß muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vertreten durch die Verwaltung, vorgehen. Anders ist es nur dann, wenn durch den Gebrauch und/oder die Benutzung ein Wohnungseigentümer im Gebrauch und/oder in der Benutzung der Räume, die in seinem Sondereigentum stehen, gestört wird. AG und LG hätten daher zunächst prüfen müssen, ob K eine solche Störung dargelegt hatte. Fehlte es an dieser Darlegung, wäre die Klage in Ermangelung einer Prozessführungsbefugnis als unzulässig zu verwerfen gewesen. Es ist anzunehmen, dass AG und LG insoweit noch nicht ausreichend das aktuelle Recht beachtet haben. Oder der klagende Wohnungseigentümer hatte Störungen im Bereich seines Sondereigentums geltend gemacht und die Gerichte hielten es nicht für notwendig, den vorgenannten Prüfungsgegenstand in ihren Ausführungen näher zu beleuchten.
Der Sache nach geht es im Fall jedenfalls um die Frage, ob es einem Teileigentümer in einem konkreten Einzelfall erlaubt sein kann, seine Räume zu Wohnzwecken zu vermieten.
Benutzungsvereinbarung: Teileigentum
Die Wohnungseigentümer haben die Befugnis, für den Gebrauch und die Benutzung der in Sondereigentum stehenden Räume Benutzungsvereinbarungen zu schließen. Eine dieser ...