Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Nicht nur die Verteidigung, sondern auch die StA und die Justiz nutzen Öffentlichkeitsarbeit zielgerichtet, um die öffentliche Meinung über ein Strafverfahren in ihrem Sinne zu beeinflussen. |
2. |
Justizielle Öffentlichkeitsarbeit nicht nur im Rahmen, sondern auch außerhalb strafprozessualer Zwangsmaßnahmen statt. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Justiz sich bei einer derartigen Art der Öffentlichkeitsarbeit im rechtsfreien Raum bewegt, oder ob und inwiefern das Verhalten der Justiz im Umgang mit der Öffentlichkeit auch außerhalb der Regelungen über strafprozessuale Zwangsmaßnahmen reglementiert ist. |
Rdn 54
Literaturhinweise:
Gounalakis, Verdachtsberichterstattung durch den Staatsanwaltschaft, NJW 2012, 1473
Lehr, Grenzen für die Öffentlichkeitsarbeit der Ermittlungsbehörden, NStZ 2009, 409
s.a. die Hinweise bei → Medien, Allgemeines, Teil F Rdn 2 und bei den u.a. weiterführenden Stichwörtern.
Rdn 55
1. Nicht nur die Verteidigung, sondern auch die StA und die Justiz nutzen Öffentlichkeitsarbeit zielgerichtet, um die öffentliche Meinung über ein Strafverfahren in ihrem Sinne zu beeinflussen (vgl. hierzu die Darstellung des "Falls Dominik Brunner" in Engel/Scheuerl, a.a.O., Rn 49 ff.). Hierbei reichen die Arten der "Öffentlichkeitsarbeit" von einem gezielten Durchstechen von Informationen aus dem EV, auch und insbesondere im Zusammenhang mit strafprozessualen Zwangsmaßnahmen wie Durchsuchungen und Festnahmen, bei welchen in der Vergangenheit wiederholt die Presse noch vor den Ermittlern am Durchsuchungsobjekt auftauchten und auf den Beginn der Durchsuchung warteten bis zu öffentlichen Interviews, in welchen der Anklagevorwurf – zumeist kurz nach dessen Verlesung – noch einmal medienwirksam und für den "Durchschnittszuschauer" verständlich aufbereitet, dargeboten wird. Auch nach dem Urteil gibt es häufig noch "Medienarbeit" der Justizbehörden. Hierdurch wird sich in nicht wenigen Fällen, auch nach rechtskräftigem Abschluss eines Strafverfahrens, die Notwendigkeit juristischer/anwaltlicher Nachsorge ergeben, welche schwerpunktmäßig im presserechtlichen Bereich angesiedelt sein wird.
☆ Es stellt sich insofern die Frage, warum und auf welcher Rechtsgrundlage derartige Informationen erfolgen und ob die Ermittlungsbehörden mit einer derartigen Öffentlichkeitsarbeit neben der reinen Information der Öffentlichkeit, welche schließlich auch durch eine nachträgliche Information über Ermittlungsmaßnahmen oder das schlichte Verlesen der Anklageschrift in öffentlicher Hauptverhandlung ohne nachfolgende Erläuterung gegenüber den anwesenden Reportern, gesichert werden könnte, noch andere Ziele verfolgen.Rechtsgrundlage derartige Informationen erfolgen und ob die Ermittlungsbehörden mit einer derartigen Öffentlichkeitsarbeit neben der reinen Information der Öffentlichkeit, welche schließlich auch durch eine nachträgliche Information über Ermittlungsmaßnahmen oder das schlichte Verlesen der Anklageschrift in öffentlicher Hauptverhandlung ohne nachfolgende Erläuterung gegenüber den anwesenden Reportern, gesichert werden könnte, noch andere Ziele verfolgen.
Rdn 56
2.a) Justizielle Öffentlichkeitsarbeit nicht nur im Rahmen, sondern auch außerhalb strafprozessualer Zwangsmaßnahmen statt. So betätigt sich die Justiz in vielfältiger Art und Weise gegenüber der Presse und Öffentlichkeit. Sei es, dass der Pressesprecher des Gerichtes oder der Staatsanwalt im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit interessierenden Verfahrenseröffnung oder einem Verfahrensabschluss medienwirksam einen Überblick über den Inhalt der Anklageschrift und die dem Angeklagten vorgeworfenen Delikte – selbstverständlich stets in sachlicher Form – gibt oder über das gerade verkündete Urteil berichtet.
☆ Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Justiz sich bei einer derartigen Art der Öffentlichkeitsarbeit im rechtsfreien Raum bewegt, oder ob und inwiefern das Verhalten der Justiz im Umgang mit der Öffentlichkeit auch außerhalb der Regelungen über strafprozessuale Zwangsmaßnahmen reglementiert ist.rechtsfreien Raum bewegt, oder ob und inwiefern das Verhalten der Justiz im Umgang mit der Öffentlichkeit auch außerhalb der Regelungen über strafprozessuale Zwangsmaßnahmen reglementiert ist.
Rdn 57
b) In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist insoweit zunächst zu klären, ob Öffentlichkeitsarbeit der Justiz eine öffentliche Maßnahme mit Eingriffscharakter darstellt und als solche einer formellen Rechtsgrundlage bedarf.
Rdn 58
Nachdem in der verfassungsrechtlichen Judikatur das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus seinem privatrechtlichen Charakter als absolutes Schutzrecht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB hin zu einem aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleiteten Grundrecht herausgearbeitet worden ist, wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht dergestalt verstanden, dass sein Schutzbereich die engere persönliche Lebenssphäre und deren Ausgestaltung ist, wozu es auch gehört, dass der Grundrechtsträger sein...