Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Abschiebungshaft soll die reibungslose Aufenthaltsbeendigung ermöglichen.
2. Die Vorbereitungshaft dient der Sicherung einer noch nicht verfügten Ausweisung.
3. Die Sicherungshaft soll bei schon Ausreisepflichtigen die Durchführung der Abschiebung selbst sicherstellen.
 

Rdn 122

 

Literaturhinweise:

Heinhold, Abschiebungshaft in Deutschland, 1. Aufl. 2004

Hoppe, Änderungen im aufenthaltsrechtlichen Freiheitsentziehungsverfahren durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ZAR 2009, 209

Kühn, Abschiebungsanordnung und Abschiebungshaft, 2009

s.a. die Hinweise zu → Ausländer, Allgemeines, Teil H Rdn 149.

 

Rdn 123

1. Die Abschiebungshaft dient der Absicherung der Aufenthaltsbeendigung. Es gibt zwei Formen von Abschiebungshaft, nämlich:

Die Vorbereitungshaft (vgl. Rdn 125 f.) und
die Sicherungshaft (vgl. Rdn 127 f.).
 

Rdn 124

Die Haft steht unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, § 62 Abs. 1 S. 1 AufenthG. Es darf kein milderes Mittel zum gleichen Erfolg führen und ihre Dauer ist auf das absolut notwendige Maß zu begrenzen.

 

☆ Sie ist gegenüber Minderjährigen und Familien mit Minderjährigen nur in Ausnahmefällen zulässig.Minderjährigen und Familien mit Minderjährigen nur in Ausnahmefällen zulässig.

 

Rdn 125

2. Die Vorbereitungshaft gem. § 62 Abs. 2 AufenthG ist zur Vorbereitung einer Ausweisung zulässig, wenn über diese noch nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde. Sie soll somit vor Herstellung der Ausreisepflicht eine direkt darauf folgende Aufenthaltsbeendigung ermöglichen. Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten, muss aber nicht gesondert verlängert werden, wenn zwischenzeitlich die Ausweisung erfolgt.

 

Rdn 126

Die antragstellende Behörde muss die Voraussetzungen der Vorbereitungshaft ordnungsgemäß darlegen. Dazu gehört auch, die Umstände der Ausweisung und die Gründe, warum über nicht sofort entschieden werden kann, aufzuzeigen. Gelingt dies nicht, ist ggf. bereits der Haftantrag unzulässig.

 

Rdn 127

3.a) Praktisch bedeutsamer ist die Anordnung der Sicherungshaft (§ 62 Abs. 3 AufenthG), die eine bereits bestehende Ausreisepflicht voraussetzt. Sie verfolgt den Zweck der Sicherung der Abschiebung selbst.

 

Rdn 128

Zulässig ist die Sicherungshaft nur, wenn einer der folgenden sechs Haftgründe vorliegt.

Nr. 1: vollziehbare Ausreisepflicht wegen unerlaubter Einreise,
Nr. 1a: "Abschiebungsanordnung nach § 58a, die aber noch nicht vollzogen werden kann,"
Nr. 2: Untertauchen, also die "Unerreichbarkeit durch Wechsel des Aufenthaltsortes ohne Angabe der Anschrift gegenüber Ausländerbehörde bei Ablauf der Ausreisefrist,"
"Nr. 3: verschuldetes Fernbleiben bei einem festgesetzten Abschiebungstermin,"
Nr. 4: Entziehung von der Abschiebung in sonstiger Weise,
Nr. 5: Bestehen eines begründeten Verdachts, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will.
 

Rdn 129

b) Ersichtlich ist jegliche denkbare Handlung des Ausreisepflichtigen, die dazu führen könnte, dass eine Abschiebung ohne Erfolg bleibt, von den Haftgründen erfasst. Gerade deshalb muss der Haftantrag nicht nur pauschal, sondern konkret die entscheidungserheblichen Tatsachen enthalten.

 

Rdn 130

Seit dem 1.8.2015 haben sich zwar die Voraussetzungen der Sicherungshaft gem. § 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht verändert, jedoch ist der Tatbestand der Nr. 5 durch die Einführung neuer Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 14 und 15 AufenthG n.F. erheblich "haftfreundlicher" geworden. Demnach gelten als konkrete Anhaltspunkte für eine drohende Entziehung vor der Abschiebung:

Untertauchen in der Vergangenheit, also nicht nur vorübergehender Wechsel des Aufenthaltsortes ohne Mitteilung an die zuständige Behörde
Täuschung über Identität und Unterdrücken oder Vernichten von Identitäts- oder Reisedokumenten
Verweigerung oder Unterlassung von Mitwirkung bei der Klärung der Identität, wenn dies einen Rückschluss auf eine aktive Verhinderung der Abschiebung zulässt
Bezahlung "erheblicher Geldbeträge" für sog. Schleuser zur Hilfe bei der illegalen Einreise, wenn diese für den Betroffenen mutmaßlich so maßgeblich sind, dass er die "Investition" durch Entziehung vor der Abschiebung schützen will
ausdrückliche Erklärung sich der Abschiebung zu entziehen
konkrete Vorbereitungshandlungen für die Entziehung vor der Abschiebung, die mit unmittelbarem Zwang nicht überwunden werden können
 

Rdn 131

Die Generalklausel des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG wird durch die Begriffsbestimmung konkreter Anhaltspunkte mit einer großen Variationsbreite aufgeladen. Es handelt sich dabei nicht um Regelbeispiele, sondern dem Wortlaut entsprechend Anhaltspunkte, die bei der Prognose des Einzelfalls zu erwägen sind. Dabei hat sich der Gesetzgeber an der Rechtsprechung orientiert (BR-Drucks. 642/14, S. 33 f.). Trotz dieser Aufzählung reicht das bloße Vorliegen eines Anhaltspunk...

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