Das Wichtigste in Kürze:

1. Das anwaltsgerichtliche Verfahren unterscheidet sich prozessual-rechtlich an einigen Stellen vom Strafprozess.
2. Gem. § 113 Abs. 1 BRAO wird gegen einen Rechtsanwalt, der schuldhaft gegen Pflichten verstößt, die in der BRAO oder in der BORA bestimmt sind, eine anwaltsgerichtliche Maßnahme verhängt. § 113 Abs. 2 BRAO regelt die Ahndbarkeit von außerhalb des Berufes liegendem Verhalten des Rechtsanwaltes. Überbegriff ist die Pflichtverletzung.
3. Wenn das AnwG eine schuldhafte Pflichtverletzung festgestellt hat – und disziplinaren Überhang unterstellt: bejaht –, dann muss es gem. § 114 BRAO eine der dort genannten anwaltsgerichtlichen Maßnahmen nach angemessener Zumessung auswählen.
 

Rdn 997

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Rechtsanwälte, Strafrecht, Allgemeines, Teil H Rdn 949 und bei → Rechtsanwälte, Strafrecht, Berufsrechtliche Verfahren/Überblick, Teil H Rdn 953.

 

Rdn 998

1. Das anwaltsgerichtliche Verfahren unterscheidet sich prozessual-rechtlich an einigen Stellen vom Strafprozess. Auf folgende Unterschiede im Verfahren ist hinzuweisen:

 

Rdn 999

 

Pflichtverteidigung:

Wenn das Gericht eine Ausschließung aus der Anwaltschaft oder ein Tätigkeitsverbot andenkt und/oder der Fall tatsächlich und rechtliche schwierig ist, wird es dem Rechtsanwalt einen Pflichtverteidiger zur Seite stellen.

 

Rdn 1000

 

Bindung an tatsächliche Feststellungen des Straf-/Bußgeldurteils (§ 118 Abs. 3 BRAO):

Gemeint sind alle Feststellungen zur Tat- und Schuldfrage. Eine Strafmaßberufung hindert also die Verwendung der Feststellungen im anwaltsgerichtlichen Verfahren nicht, weil insoweit Rechtskraft eingetreten ist. Es muss sich um rechtskräftige Tatsachenfeststellungen in Urteilen deutscher Straf- und Bußgeldgerichte handeln. Dies gilt nach h.M. nicht für Strafbefehle, Bußgeld- und Steuerstrafbescheide. Das AnwG kann von der Bindungswirkung nur abweichen und die Tatsachen neu überprüfen, wenn es dies mit Stimmenmehrheit beschließt, weil die Richtigkeit der Tatsachen bezweifelt wird (s. § 118 Abs. 3 S. 2 BRAO).

 

Rdn 1001

 

Öffentlichkeit:

Gem. § 135 BRAO ist die HV nicht öffentlich. Die Öffentlichkeit kann auf Antrag der StA und muss auf Antrag des Rechtsanwaltes hergestellt werden. Auch zu den nichtöffentlichen Verhandlungen sind Vertreter der Landesjustizverwaltung, des Präsidenten des OLG oder seinem Beauftragten, den Beamten der StA beim OLG und allen Rechtsanwälten im Bereich der RAK der Zutritt gestattet.

 

Rdn 1002

 

Anwesenheit des Rechtsanwaltes:

Gem. § 134 BRAO kann gegen einen Rechtsanwalt, der trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, in dessen Abwesenheit verhandelt werden, soweit in der Ladung darauf hingewiesen wurde.

 

☆ Der Rechtsanwalt sollte zur Verhandlung erscheinen, anderenfalls sollte er sich durch einen Verteidiger vertreten lassen.

Hintergrund ist, dass in vielen Fällen – leider – von der RAK über die GStA das AnwG ausschließlich die Akte zur Verfügung steht und so das Gericht sich kein Bild außerhalb der Akte vom Rechtsanwalt machen kann. Das AnwG ist in erster Instanz aber nur mit Rechtsanwälten als Richtern besetzt, die den Alltag kennen und durchaus verständig mit Problemen umgehen können. Zudem kann der beschuldigte Rechtsanwalt in der HV seine Sicht der Dinge einbringen. Denn manchmal hat man bei Aktenlektüre (insbesondere der Handakten) den Eindruck, dass der bis zu einem gewissen Punkt gut gearbeitet habende Rechtsanwalt wohl ein unbenanntes "persönliches Schicksal" erlitt. Schweigen hierzu ist allerdings einem "mildernden" Verständnis nicht förderlich.

 

Rdn 1003

 

Verlesung von Protokollen:

§ 138 BRAO erlaubt dem AnwG in größerem Umfang die Verlesung von Vernehmungsprotokollen. Nach pflichtgemäßem Ermessen durch Gerichtsbeschluss. die StA und der Rechtsanwalt kann zuvor jedoch die Vernehmung in der Hauptverhandlung beantragen. Dem ist dann in der Regel (bis auf wenige Ausnahmen, siehe § 138 Abs. 2 S. 2 BRAO) zu entsprechen.

 

☆ Darüber hinaus gilt über § 116 BRAO auch § 249 StPO ( Selbstleseverfahren ).Selbstleseverfahren).

 

Rdn 1004

 

Sonstiges:

Über § 116 BRAO gelten viele Normen der StPO. Insbesondere die Vorschriften

über die Verhandlungsleitung (§ 238 StPO),
die Vorschriften für die Beweisaufnahme, insbesondere die Ablehnung von Beweisanträgen (§ 244 StPO),
über die Aussetzung und Höchstdauer der Unterbrechung (§§ 228 f. StPO) und
die Vorschriften für die Frist und Form der Urteilsniederschrift (§ 275 StPO).
 

Rdn 1005

2.a) Gem. § 113 Abs. 1 BRAO wird gegen einen Rechtsanwalt, der schuldhaft gegen Pflichten verstößt, die in der BRAO oder in der BORA bestimmt sind, eine anwaltsgerichtliche Maßnahme verhängt. § 113 Abs. 2 BRAO regelt die Ahndbarkeit von außerhalb des Berufes liegendem Verhalten des Rechtsanwaltes. Diese ist nur anwaltsgerichtlich ahndbar, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen der Rechtssuchenden in einer für die Ausübung der Anwaltstätigkeit bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

 

Rdn 1006

b) Überbegri...

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