Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Verteidiger sind aus zivilrechtlicher Sicht grundsätzlich verpflichtet, Weisungen des Mandanten zu befolgen. |
2. |
Auch für die Beistände und Vertreter von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren gilt grundsätzlich dasselbe. |
Rdn 1080
1.a) Ob und inwieweit der Verteidiger verpflichtet ist, Weisungen des Beschuldigten zu beachten, wird seit jeher kontroversdiskutiert. Die Strafrechtsprechung behandelt das Problem im Hinblick auf die Zulässigkeit entsprechender Prozesshandlungen des Verteidigers und gesteht dem Anwalt als Organ der Rechtspflege das Recht zu, in eigenem Namen und ggf. auch gegen den Widerspruch des Mandanten Prozesshandlungen vornehmen zu dürfen (BGHSt 13, 337, 343; BGH NStZ 2011, 294 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, Vor § 137 Rn 1).
Rdn 1081
Die Haftungsrechtsprechung verfolgt eine andere Perspektive und betrachtet Weisungen primär unter der Perspektive des Innenverhältnisses des Mandats. Sie kommt dabei zu anderen Ergebnissen als die Strafrechtsprechung. Aus haftungsrechtlicher Sicht hat der Verteidiger nämlich Weisungen des Mandanten grds. zu befolgen (§§ 675 Abs. 1, 665 BGB), selbst dann, wenn dies nachteilig für jenen wäre (BGH NJW 1985, 42 f.; Zugehör/Vill, Rn 841; Fahrendorf/Fahrendorf, Rn 602; wie hier: Dietrich, S. 114 ff.; a.A. Schlecht, S. 42 ff.). Der Dispositionsbefugnis des Auftraggebers unterliegen jedoch nicht die darunter liegenden ureigenen anwaltlichen Einzelaufgaben im Bereich der Rechtsprüfung, Beratung und Prozessführung (Fahrendorf/Fahrendorf, Rn 607) – die Weisungsgebundenheit bezieht sich nur auf grundlegende Bestimmungen und Weichenstellungen (Barton, Einführung § 6 Rn 17).
☆ Allerdings besteht die Weisungsgebundenheit nicht uneingeschränkt . Weisungen, die rechts- oder sittenwidrig sind oder vom Auftragnehmer ein unlauteres Verhalten verlangen, werden von der Haftungsrechtsprechung als unverbindlich eingestuft (Zugehör/ Vill , Rn 843; Fahrendorf/ Fahrendorf , Rn 612). Außer Frage steht für die Zivilrechtsprechung , dass der Anwalt weder unseriösen (Stichwort: aggressive Prozessführung) noch absolut aussichtslosen oder unsinnigen Ansinnen (z.B. Einlegung unzulässiger Rechtsmittel) nachzukommen hat (Fahrendorf/ Fahrendorf , Rn 613). Darüber hinaus darf von Weisungen nur in den engen Grenzen des § 665 BGB abgewichen werden.Weisungsgebundenheit nicht uneingeschränkt. Weisungen, die rechts- oder sittenwidrig sind oder vom Auftragnehmer ein unlauteres Verhalten verlangen, werden von der Haftungsrechtsprechung als unverbindlich eingestuft (Zugehör/Vill, Rn 843; Fahrendorf/Fahrendorf, Rn 612). Außer Frage steht für die Zivilrechtsprechung, dass der Anwalt weder unseriösen (Stichwort: "aggressive" Prozessführung) noch absolut aussichtslosen oder unsinnigen Ansinnen (z.B. Einlegung unzulässiger Rechtsmittel) nachzukommen hat (Fahrendorf/Fahrendorf, Rn 613). Darüber hinaus darf von Weisungen nur in den engen Grenzen des § 665 BGB abgewichen werden.
Rdn 1082
b) Im Zusammenhang mit Weisungen können darüber hinaus – und darauf kommt es hier an – verschiedene Beratungs-, Informations- und Anzeigepflichten entstehen, die je nach Fallgestaltung differieren: Ist die Befolgung von Weisungen für den Mandanten risikoreich, so hat der Anwalt ihn darüber zu belehren; er darf also verfehlten Ansinnen nicht blindlings folgen, sondern hat zu versuchen, dem Mandanten bessere Einsicht zu vermitteln (BGH NJW 1997, 2168 f.; vertiefend Fahrendorf/Fahrendorf, Rn 602 ff.; Zugehör/Vill, Rn 845.). Folgt der Anwalt den Weisungen des Mandanten aufgrund von Unverbindlichkeit selbiger, zulässiger Abweichung i.S.d. § 665 BGB oder aus sonstigen Gründen nicht, trifft ihn die Pflicht, dies dem Mandanten anzuzeigen und zu begründen (BGH NJW 1985, 42 ff.; BGH NJW 1997, 2168 f.; Zugehör/Vill, Rn 842, 845 f.). Entscheidend ist: Ein Unterlassen der Beratung oder Information seines Mandanten stellt eine Pflichtverletzung dar.
Rdn 1083
Diese Grundsätze finden auch für Verteidiger in Strafsachen – gleichermaßen für Wahl- wie für Pflichtverteidiger – Anwendung. Das bedeutet: Nur, wenn es sich bei der Weisung um eine der Dispositionsfreiheit des Mandanten unterfallende zentrale Weichenstellung für das Verfahren handelt, ist der Verteidiger dadurch gebunden. Dementsprechend besteht eine Bindungswirkung nur bei wesentlichen Aspekten der Verteidigungskonzeption, also in erster Linie den Grundentscheidungen (dazu oben Rdn 1065). Daneben kann der Verteidiger nur im Einvernehmen mit dem Mandanten Urteilsabsprachen treffen, Rechtsmittel einlegen, begründen oder zurücknehmen oder für diesen Verzichtserklärungen abgeben (vgl. dazu – bezogen auf den Anwalt in Zivilsachen – Fahrendorf/Fahrendorf, Rn 609 f.; Zugehör/Vill, Rn 620, 844). Agiert der Verteidiger in diesen Fällen ohne oder gegen eine interne Absprache, so ist eine Pflichtverletzung zu bejahen. Sofern dem Beschuldigten daraus ein nachgewiesener Schaden erwächst (vertiefend dazu MAH-Barton, § 41 Rn 59 ff.), hat der Verteidiger dafür einzustehen.