Das Wichtigste in Kürze:

1. Das Antragsverfahren für den Anspruchsteller ist zu unterscheiden vom Rückforderungsanspruch des Leistungsträgers gegen den Schädiger/Beschuldigten.
2. Anträge nach dem OEG werden von den für die Durchführung des BVG zuständigen und im Regelfall nach Landesrecht bestimmten Behörden (i.d.R. den Versorgungsämtern) bearbeitet.
3. Werden Regressansprüche gegen den Schädiger/Beschuldigten gerichtlich geltend gemacht, sind Zivilgerichte zuständig. Rechtsstreitigkeiten nach dem OEG werden von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit entschieden.
4. Werden Leistungen nach dem OEG gewährt, ist das Land berechtigt, gegen den Schädiger/Beschuldigten aufgrund eines gesetzlichen Forderungsübergangs Rückgriff zu nehmen.
5. Regressansprüche des Leistungsträgers gegen den Beschuldigten/Schädiger unterliegen regelmäßig einer dreijährigen Verjährungsfrist.
 

Rdn 61

 

Literaturhinweise:

S. die Hinweise bei → Ansprüche, Opferentschädigung, Allgemeines, Teil I Rdn 2.

 

Rdn 62

1. Verfahrensrechtlich unterschieden werden muss

zwischen dem Antragsverfahren des Geschädigten nach dem OEG/BVG einerseits und
den Verteidigungsmöglichkeiten des Beschuldigten/Verurteilten bei Inanspruchnahme durch einen für die Opferversorgung zuständigen Leistungsträger andererseits.
 

Rdn 63

2.a) Gem. § 6 Abs. 1 S. 1 OEG obliegt die Versorgung nach dem OEG den für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden. Sollten die materiell-rechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen, sind demzufolge Leistungen der Beschädigtenversorgung nach dem BVG zu gewähren.

 

Rdn 64

b)aa) Das Opferentschädigungsverfahren beginnt mit der Stellung eines Antrags des Berechtigten. Der Antrag unterliegt keinem Formzwang und kann auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Versorgungsamts gestellt werden.

 

☆ Besondere Bedeutung hat der Zeitpunkt der Antragstellung insoweit, als § 1 Abs. 1 S. 1 OEG i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 1 BVG bestimmt, dass auch bei Opfern von Gewalttaten die Leistungen der Beschädigtenversorgung im Grundsatz mit dem Antragsmonat beginnen, wenn die sonstigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ausnahmsweise eröffnet § 60 Abs. 1 S. 2 BVG eine Rückwirkung , wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Schädigung gestellt wird.Zeitpunkt der Antragstellung insoweit, als § 1 Abs. 1 S. 1 OEG i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 1 BVG bestimmt, dass auch bei Opfern von Gewalttaten die Leistungen der Beschädigtenversorgung im Grundsatz mit dem Antragsmonat beginnen, wenn die sonstigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ausnahmsweise eröffnet § 60 Abs. 1 S. 2 BVG eine Rückwirkung, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Schädigung gestellt wird.

 

Rdn 65

bb) Die Problematik verspäteter Antragstellung erlangt insbesondere bei minderjährigen Opfern sexueller Gewalt Bedeutung. Das BSG (NJW 2005, 2574) hatte sich mit einem Fall zu befassen, bei dem ein Mädchen über mehrere Jahre hinweg von ihrem Stiefvater schwer sexuell missbraucht wurde. Als das Opfer 15 Jahre alt war, wurde der Stiefvater angezeigt. Die letzte der insgesamt vier Taten hatte sich einige Monate vor Anzeigeerstattung ereignet. Nachdem der Stiefvater sieben Monate nach Beginn der Ermittlungen verurteilt wurde, dauerte es wiederum zehn Monate, bis die Geschädigte Beschädigtenversorgung nach dem OEG beantragte. Die Jahresfrist des § 60 Abs. 1 S. 2 BVG war zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen. Das BSG hat gleichwohl rückwirkend einen Anspruch der Klägerin anerkannt. Entsprechend § 60 Abs. 1 S. 3 BVG war die Klägerin ohne Verschulden gehindert, rechtzeitig Versorgung zu beantragen. Von dem Grundsatz, dass dem Minderjährigen ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters bei einer verspäteten Antragstellung zuzurechnen ist, macht das BSG eine Ausnahme, wenn – wie in dem konkreten Fall – es in der Hand der sorgeberechtigten Eltern, die dem Gewalttäter familiär und durch gleichgelagerte Interessen eng verbunden waren, lag, ihr Kind als Opfer einer Gewalttat von zügiger Entschädigung nach dem OEG auszuschließen (BSG, a.a.O.).

 

Rdn 66

3. Für Streitigkeiten nach dem OEG ist von wenigen, hier nicht weiter interessierenden Ausnahmen abgesehen, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben, § 7 Abs. 1 S. OEG.

 

Rdn 67

a) Lehnt die Versorgungsverwaltung einen Entschädigungsanspruch ab, hat der Geschädigte das Recht, dagegen eine Anfechtungsklage vor dem SG zu erheben.

 

Rdn 68

b) Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGG) mit dem Anspruch auf Feststellung einer vorliegenden Gesundheitsstörung als Folge eines schädigenden Ereignisses nach § 1 Abs. 1 S. 1 OEG (BSG NJW 2011,1101). Dies gilt namentlich in den Fällen, bei denen der Grad der Schädigungsfolgen für einen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenrente nicht ausreicht (vgl. § 31 Abs. 1 BVG). Hier gesteht die Rechtsprechung dem Beschädigten einen Anspruch auf isolierte Feststellung (Anerkennung) von Schädigungsfolgen z...

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