Das Wichtigste in Kürze:

1. Soweit ein Mitverschulden des Geschädigten nach § 254 Abs. 1 BGB vorliegt, ist dieses bei sämtlichen ihm zustehenden Ansprüchen zu berücksichtigen. Die Gründe für die Annahme eines Mitverschuldens sind in ihrer Vielzahl kaum zu überschauen und bedürfen im Ergebnis stets einer Abwägung im Einzelfall.
2. Die Mitverschuldenshandlung des Geschädigten muss vorsätzlich oder fahrlässig begangen und für die Schadensherbeiführung adäquat kausal gewesen sein.
3. Bei Eigentumsdelikten ist das Hervorrufen des Tatanreizes ein häufiges Kriterium für die Annahme eines Mitverschuldens. Bei Körperverletzungsdelikten hingegen kommt der Einwand der Tatprovokation in Betracht. Auch die Überschreitung eines Notwehrrechtes kann zu einem Mitverschulden führen, nicht hingegen die angemessene Verteidigung gegen einen Angriff.
4. Nach der Rechtsprechung kann auch der Umstand, jemanden zu einer Tat aus Eifersucht zu verleiten, als Mitverschulden im Einzelfall gewertet werden.
5. Als Rechtsfolge des Mitverschuldens bildet sich bei einem Vermögensschaden eine Schadensquote heraus. Bei Nichtvermögensschäden, in den meisten Fällen dem Schmerzensgeld, wird das Mitverschulden bei der Bemessung des angemessenen Entschädigungsbetrages berücksichtigt.
6. Ein Mitverschulden bei Mittätern/Teilnehmern einer Straftat führt zu einer Gesamtschau der Verursachungsbeiträge, jedoch nicht zu einer Einzelabwägung. Bei Nebentätern ist sowohl eine Gesamtschau also auch eine Einzelabwägung vorzunehmen.
7. Hinsichtlich der Umstände, aus denen sich ein Mitverschulden ergibt, ist der Beweismaßstab des § 286 Abs. 1 ZPO anzulegen. Hinsichtlich des Ausmaßes des Verschuldens gilt § 287 Abs. 1 ZPO.
 

Rdn 138

 

Literaturhinweise:

Greger, Mitverschulden und Schadensminderungspflicht – Treu und Glauben im Haftungsrecht?, NJW 1985, 1130

Kraft, Mitverschulden des Beifahrers bei Alkoholisierung des Fahrzeugführers, NZV 2014, 245

s.a. die Hinw. bei → Ansprüche, Zivilrecht, Allgemeines, Teil I Rdn 79.

 

Rdn 139

1. Sofern der Nachweis des Mitverschuldens des Geschädigten gelingt, ist dessen Verursachungsbeitrag bei allen ihm zustehenden oder auf Dritte übergegangenen Ansprüchen zu berücksichtigen. In der Rspr. hat sich eine beinahe unüberschaubare Kasuistik hinsichtlich möglicher Mitverschuldenstatbestände entwickelt, so dass auf Seiten des Rechtsanwaltes des Beschuldigten durchaus mit einiger Kreativität und geschicktem Vortrag ein Mitverschuldenseinwand erhoben werden kann. Im Folgenden sollen zu den beiden häufigsten Straftaten, einerseits Eigentums- und andererseits Körperverletzungsdelikte, Ausführungen bezüglich möglicher Mitverschuldenseinwände gemacht werden.

 

☆ Gerade wenn Ansprüche auf Sozialleistungsträgerübergegangen sind, sollte, sofern greifbare Argumente für einen solchen vorliegen, der Mitverschuldenseinwand erhoben werden. Sozialleistungsträger sind bemüht, gerichtliche Streitigkeiten zu vermeiden und neigen i.d.R. dazu, rechtliche Auseinandersetzungen außerprozessual beizulegen. Hier kann die wirtschaftliche Belastung des Beschuldigten durch einen entsprechenden Vortrag und Abschluss eines Vergleiches mitunter deutlich reduziert werden.Ansprüche auf Sozialleistungsträgerübergegangen sind, sollte, sofern greifbare Argumente für einen solchen vorliegen, der Mitverschuldenseinwand erhoben werden. Sozialleistungsträger sind bemüht, gerichtliche Streitigkeiten zu vermeiden und neigen i.d.R. dazu, rechtliche Auseinandersetzungen außerprozessual beizulegen. Hier kann die wirtschaftliche Belastung des Beschuldigten durch einen entsprechenden Vortrag und Abschluss eines Vergleiches mitunter deutlich reduziert werden.

 

Rdn 140

2. Von einem Mitverschulden ist allgemein dann auszugehen, wenn der Geschädigte eine für sich und seine Rechtsgüter vermeidbare Gefahrensituation geschaffen hat. Ein Mitverschulden ist bereits dann anzunehmen, wenn diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen wird, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt, ständige Rechtsprechung (vgl. u.a. BGH NJW-RR 2010, 848 m.w.N.).

 

☆ Der Mitverschuldenseinwand bedarf stets der Darlegung und Abwägung der Umstände des Einzelfalles . Er folgt in seinem Grundgedanken aus § 242 BGB und hat in § 254 BGB seine Normierung gefunden.Darlegung und Abwägung der Umstände des Einzelfalles. Er folgt in seinem Grundgedanken aus § 242 BGB und hat in § 254 BGB seine Normierung gefunden.

Die Mitverschuldenshandlung muss

schuldhaft erfolgen, wobei Fahrlässigkeit genügt, und
adäquat kausal für den Schadenerfolg sein.
 

Rdn 141

3.a) Das Schaffen eines Tatanreizes oder die Vereinfachung der Tatdurchführung sind bei Eigentumsdelikten die erfolgversprechendsten Mitverschuldenseinwände. Wer z.B. wertvollen Schmuck, teure Bekleidungsstücke oder elektronische Gebrauchsartikel offen sichtbar in seinem Fahrzeug zurücklässt und hierdurch bei einem Dieb den Entschluss zur Tat weckt, muss sich ein Mitverschulden anrechnen lassen. Gleiches gilt wenn beispielsweise vergess...

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