Das Wichtigste in Kürze:

1. § 3 StrEG sieht ggf. auch bei einer Einstellung des Verfahrens eine Entschädigung vor, wenn es unbillig wäre, sie dem Betroffenen vorzuenthalten.
2. Verfahrenseinstellungen i.S.d. § 3 StrEG sind Entscheidungen, bei denen Gericht oder StA ein Ermessen eingeräumt ist.
3. Während die zwingende Verfahrenseinstellung zur Entschädigung für Verfolgungsmaßnahmen führt, sofern diese weder nach § 5 StrEG ausgeschlossen noch nach § 6 StrEG zu versagen ist, kommt die Entschädigung bei einer auf dem Opportunitätsprinzip beruhenden Einstellung des Verfahrens nur in Betracht, soweit dies der Billigkeit entspricht.
 

Rdn 388

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei Teil I: → StrEG-Entschädigung, Allgemeines, Rdn 281.

 

Rdn 389

1. Die Prüfungsschritte (§ 3 StrEG) lauten:

Wurde gegen den Verfahrensbetroffenen eine andere Strafvollzugsmaßnahme i.S.d. § 2 StrEG vollzogen?
Ist der Entschädigungsanspruch nach § 5StrEG ausgeschlossen oder nach § 6 StrEG zu versagen (KG Rpfleger 1999, 350)?
Wurde das Verfahren nach einer Ermessensvorschrift endgültig eingestellt?
Wäre es unbillig, dem Verfahrensbetroffenen eine Entschädigung vorzuenthalten?
 

Rdn 390

2. Verfahrenseinstellungen i.S.d. § 3 StrEG sind Entscheidungen, bei denen Gericht oder StA ein Ermessen eingeräumt ist. Sie erfolgen i.d.R. durch eine einzige Entscheidung; mitunter bedarf es jedoch einer zweiten Entscheidung, um das Verfahren zu beenden, auch wenn es sich bei der zweiten Entscheidung nicht mehr um eine Ermessensentscheidung handelt.

 

Rdn 391

a) Einaktige Entscheidungen sind im Einzelnen die Verfahrenseinstellungen nach

§ 153 StPO,
§ 153b StPO,
§ 153d StPO,
§ 153e StPO,
§ 153e StPO,
§ 154c StPO,
§ 383 Abs. 2 StPO,
§ 390 Abs. 5 StPO,
§ 45 JGG,
§ 47 JGG,
§ 398 AO,
§ 399 i.V.m. § 391 AO.
 

Rdn 392

b)aa) Mehraktige Entscheidungen sind die Verfahrenseinstellungen nach

§ 153a StPO,
§ 154 StPO und
§ 154b StPO.

Sie erfolgen i.d.R. zunächst nur vorläufig; ihre Endgültigkeit hängt vom Eintritt weitere Bedingungen ab, was ihnen jedoch den Charakter der Ermessensentscheidung nicht nimmt.

 

Rdn 393

bb) Die Einstellung nach § 153a StPO kann zu einer Entschädigungsentscheidung erst dann führen, wenn sie – nach Erfüllung der Auflagen oder Weisungen (OLG Hamburg OLGSt StrEG § 3 Nr. 2) – durch gesonderten Beschluss den Status der Endgültigkeit erhält. Dieser Beschluss muss auch über die Entschädigung befinden. Eine Aufteilung des zweiaktigen Einstellungsvorgangs in eine dem gerichtlichen Ermessen unterliegende vorläufige Einstellung und eine nicht mehr dem Ermessen unterliegende endgültige Einstellung, die zur Verneinung der Anwendbarkeit des § 3 StrEG führen würde, hätte eine künstliche Aufspaltung eines zusammengehörigen Prozessvorgangs zur Folge und widerspräche zudem Sinn und Zweck des § 3 StrEG, der gerade alle Fälle der Ermessenseinstellung erfassen soll (OLG Stuttgart MDR 1991, 978; s. auch Kunz, StrEG, § 3 Rn 17 ff).

 

Rdn 394

cc) Die Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO kann sowohl vorläufig als auch endgültig sein. Maßgeblich für die Anwendbarkeit des § 3 StrEG ist das Stadium des Verfahrens, in dessen Ansehung die Einstellung erfolgt ist. Dafür gilt:

 

Rdn 395

Wurde das Bezugsverfahren rechtskräftig abgeschlossen, ist die Einstellungsentscheidung endgültig und muss nach § 3 StrEG zur Entschädigungsfrage Stellung nehmen (LG Flensburg JurBüro 1985, 1043).
Ist das Bezugsverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen, wird die Einstellung nach § 154 StPO endgültig, wenn die Dreimonatsfrist des § 154 Abs. 4 StPO abgelaufen ist und das Verfahren nicht wieder aufgenommen werden kann (OLG Hamburg NJW 1976, 2357; Kunz, StrEG, § 2 Rn 25 ff). Ein gesonderter (deklaratorischer) Beschluss ergeht in diesem Fall nicht, sodass auch keine Aussage über die Entschädigung getroffen werden kann. Diese ist im Rahmen der das Bezugsverfahren abschließenden Entscheidung zu behandeln (a.A. OLG Düsseldorf OLGSt StPO § 464 Nr. 3). Bezugsverfahren kann auch dasselbe Verfahren sein, wenn die Einstellung bezüglich einer von mehreren Taten erfolgt.
 

Rdn 396

 

Beispiel:

Gegen den Beschuldigten wurden zwei Verfahren geführt. Im Verfahren A erging Unterbringungsbefehl, im Verfahren B Haftbefehl, aufgrund dessen der Beschuldigte in Spanien festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert wurde. Dort wurde zunächst der Unterbringungsbefehl vollstreckt. Als dieser wegen Verletzung des Spezialitätsgrundsatzes aufgehoben werden musste, wurde der im Verfahren B erlassene Haftbefehl vollstreckt. Später wurde das Verfahren A im Hinblick auf die im Verfahren B zu erwartende Strafe nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und dabei die Entschädigung nach § 3 StrEG versagt.

Einen Ausgleich für die einstweilige Unterbringung im Verfahren A zu gewähren kann der Beschuldigte nicht nach § 3 StrEG verlangen; dieser erfolgt in vorliegender Konstellation vielmehr im Wege der Anrechnung auf die im Verfahren B zu vollstreckende Gesamtfreiheitsstrafe (OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 159).

 

Rdn 397

d...

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