Leitsatz
Die miteinander verheirateten Parteien lebten seit Mai 2004 getrennt. Sie hatten eine im Jahre 1990 geborene Tochter, die bei der Ehefrau lebte. Das Scheidungsverfahren zwischen den Parteien war seit Juni 2005 anhängig.
Im Dezember 2004 schlossen die Eheleute eine Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung, in der unter anderem mit sofortiger Wirkung Gütertrennung vereinbart wurde. Die Unterhaltsansprüche der Tochter waren ebenfalls geregelt worden. Trennungsunterhalt sollte bis einschließlich Juni 2005 i.H.v. 651,00 EUR monatlich gezahlt werden. Für die Zeit ab Juli 2006 verzichtete die Ehefrau im Hinblick auf ihre ab diesem Zeitpunkt einsetzende Verpflichtung zur vollschichtigen Erwerbstätigkeit auf weitere Unterhaltszahlungen, während die Unterhaltszahlungen für die gemeinsame Tochter ab diesem Zeitpunkt erhöht wurden.
Die Ehefrau hat die Vereinbarung vom 28.12.2004 wegen arglistiger Täuschung über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse angefochten und darüber hinaus geltend gemacht, die Vereinbarung verstoße gegen § 138 BGB. Sie nahm den Ehemann im Wege der Stufenklage in Anspruch und beabsichtigte, über den in der Vereinbarung festgesetzten Zeitpunkt hinaus Trennungsunterhalt geltend zu machen.
Ihr Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde wegen fehlender Erfolgsaussicht insgesamt zurückgewiesen und zur Begründung unter anderem angeführt, eine Nichtigkeit der ehevertraglichen Regelung der Unterhaltsansprüche sei nicht ersichtlich.
Gegen diese Entscheidung hat die Ehefrau Beschwerde eingelegt, die das OLG für teilweise begründet hielt.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt den Ehevertrag vom 28.12. nicht für insgesamt, wohl aber hinsichtlich des darin enthaltenen Verzichts auf Unterhaltsansprüche für die Zeit ab Juli 2006 für unwirksam. Insoweit gelte die gesetzliche Regelung, so dass die beabsichtigte Stufenklage für die Zeit ab Juli 2006 hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.
Die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Ehevertrages wegen arglistiger Täuschung sah das OLG für nicht gegeben, der Vortrag der Ehefrau hierzu genüge nicht.
Ebenso wenig ergebe sich eine Unwirksamkeit des Ehevertrages insgesamt aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Inhaltskontrolle von Eheverträge (BGH v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = NotBZ 2004, 152 = FamRZ 2004, 601 ff.). Danach werde bei grundsätzlicher Disponibilität der Scheidungsfolgen der Schutzzweck der gesetzlichen Regeln nur dann unzulässig unterlaufen, wenn eine evident einseitige, durch die individuelle Gestaltung der Lebensverhältnisse nicht mehr gerechtfertigte Lastenverteilung entstehe. Ein solcher Fall liege nicht vor.
Gleichwohl verstoße die getroffene Unterhaltsregelung für die Zeit ab Juli 2006 gegen § 1614 BGB und sei daher unwirksam, während die bis zu diesem Zeitpunkt getroffene Regelung Bestand habe.
Das aus den §§ 1361 Abs. 4, 1360a Abs. 3, 1614 BGB folgende Verbot, auf künftigen Trennungsunterhalt zu verzichten, schließe vergleichsweise Regelungen, die bestehende Ansprüche in einem noch angemessenen Rahmen verkürzen, nicht aus. Dabei seien Unterschreitungen des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs in der Größenordnung von bis zu 20 % unproblematisch, während Verkürzungen um mehr als ein Drittel nicht mehr hinzunehmen seien. Im Bereich dazwischen bedürfe es einer Abwägung nach den Umständen des Einzelfalls.
Der vereinbarte Unterhalt von 651,00 EUR liege zwar 30,4 % unter dem sich rein rechnerisch ergebenden Betrag, andererseits sei der Ehefrau gestattet worden, bis einschließlich Juni 2006 eigene Einkünfte ohne Anrechnung auf diesen Anspruch zu erzielen. Hätte sie sich frühzeitig um eine etwa halbschichtige Tätigkeit gekümmert, die neben der Betreuung der Tochter möglich und zumutbar gewesen wäre, hätte sie zusammen mit dem Unterhalt deutlich mehr als den Betrag zur Verfügung gehabt, den sie bei einer Berechnung auf gesetzlicher Grundlage beanspruchen konnte. Diese Chance gleiche die Unterschreitung des gesetzlichen Unterhaltsniveaus aus.
Die für die Zeit ab Juli 2006 getroffenen Vereinbarungen seien hingegen unwirksam. Zwar sei der Verzicht auf nachehelichen Aufstockungsunterhalt unproblematisch möglich, nicht aber ein Verzicht auf aufstockenden Trennungsunterhalt. Da der ab Juli 2006 vereinbarte Verzicht unbedingt gelten sollte und nicht auf den Fall bereits erfolgter Scheidung beschränkt war, erfasste er auch die Ansprüche auf Trennungsunterhalt. Dabei sei wegen des vollständigen Verzichts die Toleranzgrenze für die Herabsetzung der gesetzlichen Ansprüche bei vergleichsweiser Einigung auf jeden Fall überschritten worden, so dass die Vereinbarung gegen § 1614 BGB verstoße.
Eine die Wirksamkeit erhaltende einschränkende Auslegung des Verzichts kam nach Auffassung des OLG nicht in Betracht.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 15.03.2006, 11 WF 47/06