1.1 Niederstwertprinzip
In der Handelsbilanz sind ohne Rücksicht darauf, ob ihre Nutzung zeitlich begrenzt ist, auf Vermögensgegenstände des Anlagevermögens bei voraussichtlich dauernder Wertminderung außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihnen am Abschlussstichtag beizulegen ist. Die Vorschrift ordnet für die Folgebewertung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens unter den genannten Voraussetzungen außerplanmäßige Abschreibungen an, und zwar sowohl für das abnutzbare als auch das nicht abnutzbare Anlagevermögen. Die handelsrechtliche Regelung ist obligatorisch (kein Wahlrecht).
Ist also z. B. der Zeitwert – das Gesetz spricht von dem "beizulegenden Wert" – eines abnutzbaren Anlageguts, z. B. einer Maschine, am Bilanzstichtag niedriger als die historischen Anschaffungskosten, vermindert um die AfA, muss eine außerplanmäßige Abschreibung vorgenommen werden – vorausgesetzt, es handelt sich um eine voraussichtlich dauernde Wertminderung. Eine ähnliche Regelung enthält § 253 Abs. 4 HGB für das Umlaufvermögen, das allerdings auf den niedrigeren Wert abzuschreiben ist, ohne dass es auf die Dauerhaftigkeit der Wertminderung ankommt (strenges Niederstwertprinzip).
Durch die Abschreibungspflicht bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens soll verhindert werden, dass diese zu Werten bilanziert werden, die nachhaltig überhöht sind. Der niedrigere beizulegende Wert im Handelsrecht hat eine ähnliche Funktion wie der niedrigere Teilwert im Steuerrecht. Dieses strenge handelsrechtliche Niederstwertprinzip gilt für alle bilanzierenden Kaufleute, unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens.
Ist das Anlagegut voraussichtlich nur vorübergehend in seinem Wert gemindert, bestand handelsrechtlich früher ein Abwertungswahlrecht – sog. gemildertes Niederstwertprinzip. Dieses Wahlrecht gibt es nur noch für das Finanzanlagevermögen, auf das außerplanmäßige Abschreibungen auch bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung vorgenommen werden "können".
1.2 Wertaufholung
Einzelkaufleute und Personengesellschaften, die in ihrer Handelsbilanz eine außerplanmäßige Abschreibung auf den niedrigeren Zeitwert vorgenommen haben, durften nach früherer Rechtslage den niedrigeren Wertansatz auch beibehalten, wenn die Gründe dafür nicht mehr bestehen (sog. Beibehaltungswahlrecht). Bis 2009 war die Wertaufholung nur bei Kapitalgesellschaften zwingend.
Das Beibehaltungswahlrecht wurde durch das BilMoG aufgehoben. Es gibt kein Beibehaltungswahlrecht mehr, wenn die Gründe, die zur außerplanmäßigen Abschreibung geführt haben, weggefallen sind. Es besteht auch handelsrechtlich ein Zuschreibungsgebot.
Das Wertaufholungsgebot in der Handelsbilanz gilt für sämtliche Vermögensgegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens. Wertaufholung bedeutet die zwingende Rückgängigmachung einer außerplanmäßigen Abschreibung, wenn die Gründe dafür nicht mehr bestehen. Die Zuschreibung ist beim abnutzbaren Anlagevermögen begrenzt auf den fiktiv zu ermittelnden Buchwert bei regulärer planmäßiger Abschreibung. Bei einem Buchwert von 0 bzw. 1 EUR kommt folglich eine Zuschreibung nicht in Betracht.
Sind die Gründe nur teilweise weggefallen, ist nur eine teilweise Wertaufholung geboten. Eine Zuschreibung ist selbst dann vorzunehmen, wenn der Wertzuwachs einen anderen Grund hat als derjenige, der zur Vornahme der außerplanmäßigen Abschreibung berechtigte. Umgekehrt ist der niedrigere Wert beizubehalten, wenn zwar der Grund für den niedrigeren Wertansatz nicht mehr existent ist, der Wert des Vermögensgegenstands aber aus einem anderen "neuen" Grund gesunken ist.
Ausgenommen von der Zuschreibungspflicht ist der entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert, dessen niedrigerer Wert beizubehalten ist.
Begründet wird dies mit dem Verbot des Ansatzes eines selbst geschaffenen Geschäfts- oder Firmenwerts nach § 246 Abs. 1 HGB. Die Zuschreibung stelle eine verbotene Aktivierung eines selbst geschaffenen Geschäfts- oder Firmenwerts dar. Die Zuschreibung käme einem solchen Ansatz gleich.