Wir leben in Zeiten eines sich immer schneller vollziehenden Wandels auf verschiedensten Gebieten. Global gesehen ist wahrscheinlich der Klimawandel eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die zwingend erforderliche Reduzierung von Emissionen, nicht zuletzt im Straßenverkehr, und die Umgehungsversuche der Automobilhersteller haben in den letzten Monaten die Schlagzeilen nie wirklich verlassen. In Einzelfällen mag der Klimawandel auch erfreuliche Auswirkungen haben. So ist doch in den letzten Jahren das Risiko, beim Wechsel von Tagungsstätten im früher doch regelmäßig sehr frostigen Goslar, den gefühlten Kältetod zu sterben, in den letzten Jahren erkennbar gesunken. Das Mitführen sonst zwingend erforderlicher dickster Winterausrüstung für Leib und Fahrzeug war in jüngerer Zeit nicht immer gegeben. Auch nach den gegenwärtigen Wetterprognosen besteht berechtigte Hoffnung, in verhältnismäßig mildem Temperaturumfeld zum 56. Mal in Goslar zu aktuellen verkehrsrechtlichen Themen tagen zu können.
Ein gegenwärtig massiver Wandel vollzieht sich auch in der Fahrzeugtechnik, namentlich was die aktiven Sicherheitssysteme anbelangt. In vielen Fahrzeugen sind die technischen Assistenzsysteme so weit fortgeschritten, dass teilweise Eingriffe des Fahrers gar nicht mehr erforderlich sind, beispielsweise bei Einsatz von Tempomaten, die automatisch den Abstand zum Vordermann sogar bis zum Stillstand und Wiederanfahren eigenmächtig einhalten. Komfortabel ist dies allemal. Unzweifelhaft dient es auch der Vermeidung von Unfällen und allen daraus resultierenden negativen Folgen. Dieser Umstand wird jedoch von all denen, deren Lebensunterhalt durch Bearbeitung von Unfallschäden bestritten wird, argwöhnisch beobachtet. Gleichwohl muss man in Anbetracht der sich rasant entwickelnden Technik davon ausgehen, dass es nicht mehr allzu lange dauern kann, bis Fahrzeuge autonom auch auf unseren Straßen fahren werden. Die sich hieran knüpfenden technischen und rechtlichen Probleme sind vielschichtig. Sie werden Gegenstand des Plenarvortrages anlässlich der Eröffnungsveranstaltung sein, den Professor Dr. Kagermann, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften halten wird. Auch die rechtlichen Fragen dieses Themas werden im Rahmen des Arbeitskreises II behandelt werden, unter anderem die Risiken der neuen Technik und die Haftungsfragen, wenn diese neue Technik dann doch versagen sollte. Bleibt es dabei, dass der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer entsprechende Schäden reguliert oder wird hier die Produkthaftung in den Vordergrund treten? Mit einer angeregten Diskussion darf hier gerechnet werden.
Weiteres Thema ist unter anderem der "Dauerbrenner" des unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Nicht in allen europäischen Ländern finden sich entsprechende Regelungen, höchst fragwürdig ist nach wie vor, dass der Gesetzgeber keine sinnvolle Möglichkeit geschaffen hat, durch spätere Anzeige bei der Polizei oder dem Geschädigten Reue zu zeigen und hierbei sicher straffrei auszugehen. Es kann nicht sein, dass der Verteidiger seinem Mandanten davon abraten muss, den Schaden ordnungsgemäß nachträglich zu melden, wenn die "Hoffnung" besteht, dass niemand den Unfall gesehen hat, obwohl Bereitschaft besteht, den Schaden zu regulieren. Hier besteht seit Jahren akuter Handlungsbedarf, zumal die Strafen selbst dann, wenn der eigene Haftpflichtversicherer die Schäden am gegnerischen Fahrzeug reguliert hat, von erheblicher Härte sein können.
Der Arbeitskreis VII wird sich mit den Ansprüchen Schwerstverletzter befassen, die Regulierung schwerster Personenschäden ist ein Rechtsgebiet, in dem sich primär Verkehrsrechtler als kompetent erweisen, was – leider – in der Außendarstellung nicht zuletzt des entsprechenden Fachanwaltstitels oft zu wenig wahrgenommen wird. Hier werden nicht nur medizinische Gesichtspunkte erörtert werden, sondern auch die Frage, ob eine Vorfinanzierung von Ansprüchen möglich sein soll. Der BGH hat dies im Hinblick auf Sachschäden unter dem Gesichtspunkt des anwaltlichen Berufsrechts ausdrücklich verboten. Bereits im vorangegangenen Editorial hatte Jörg Elsner als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht auf die zunehmende Problematik hingewiesen, dass sich die Unfallschadenregulierung auf immer wenigere, bundesweit agierende Kanzleien mit entsprechenden wirtschaftlichen Möglichkeiten konzentriert. Es wäre ungut, wenn sich der Trend auch beim Personenschaden, der in viel höherem Maße individualisiert zu bearbeiten ist als der reine Sachschaden, fortsetzt. Insbesondere wäre es fatal, wenn sich hier finanzielle Interessen der Anwaltschaft im Hinblick auf optimierte Gebühren in den Vordergrund drängen und nicht mehr die tatsächlichen Bedürfnisse des Geschädigten, um dessen Existenz es teilweise geht, im Mittelpunkt des Handelns stehen.
Ich freue mich wie immer auf ein Wiedersehen mit der "Verkehrsrechtsfamilie" in der alten Kaiserstadt.
Autor: Nicolas Eilers
RA Nicolas Eilers, Groß-Gerau
zfs 1/2018, S. 1