Nadine Rumland-Gelzhäuser, Prof. Dr. Ralph Landsittel
Ausgangssituation
Die Erblasser sind ein verheiratetes Ehepaar im Alter von etwa 65 Jahren. Sie leben im Güterstand der Gütertrennung und haben zwei gemeinsame erwachsene Kinder von 31 und 36 Jahren. Der Ehemann hat zusammen mit zwei Freunden ein Unternehmen für den Vertrieb von Pharmaprodukten in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (nachfolgend: KG) gegründet, an der er zu 51% Gesellschafter ist. Der Gesellschaftsanteil hat gem. § 11 Abs. 2 BewG iVm. 157 Abs. 4 BewG einen gemeinen Wert in Höhe von 2,5 Mio. EUR. Die Ehepartner leben in einem Einfamilienhaus mit einem Verkehrswert von 600.000 EUR, das der Ehemann der Ehefrau vor einigen Jahren geschenkt hat. Daneben besitzt er Wertpapiere im Wert von 500.000 EUR.
Eines der Kinder, der 36-jährige Sohn der Erblasser, ist geeignet und auch gewillt, in die Gesellschafterstellung des Vaters nachzufolgen, während die jüngere Tochter daran nicht interessiert und auch nicht dazu geeignet ist. Der Lebensgefährte der Tochter hatte Kontakt zu einer Sekte verschafft, der sie sich vor einiger Zeit angeschlossen hat. Die Tochter hat der Sekte bereits ihr gesamtes Vermögen übertragen, welches unter anderem aus einem vom Vater schenkweise übertragenen Wertpapierdepot i.H.v. 50.000 EUR (Nennwert zum Stichtag) bestand. Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie mit ererbtem Vermögen genauso verfahren werde. Sämtliche Versuche der Familie, sie zur Vernunft zu bringen, sind gescheitert.
Rechtlicher Hintergrund
Der Entzug des Pflichtteils ist bei Abkömmlingen nur unter den strengen Voraussetzungen des § 2333 BGB in der Form der letztwilligen Verfügung (§ 2336 BGB) möglich, die hier aber nicht gegeben sind. Die Möglichkeit der Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht nach § 2338 Abs. 1 S. 1 BGB führt nur eingeschränkt weiter, solange das der Sekte angehörende Kind noch keine Abkömmlinge hat.
Möglich ist die Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung und damit einhergehend die Beschränkung der Teilhabe dieses Kindes am Nachlass auf den jährlichen Reinertrag (§ 2338 Abs. 1 S. 2 BGB).
Darüber hinaus sollte der Pflichtteilsanspruch des Kindes soweit als möglich reduziert werden.
Nach dem statistisch wahrscheinlichen Verlauf stirbt der Ehemann vor der Ehefrau. Aufgrund der gesetzlichen Erbteile der Ehefrau und des Kindes, welches erben soll, beträgt die Pflichtteilsquote des anderen Kindes beim Tod des Ehemanns nur 1/8, wenn zuvor die Gütertrennung aufgehoben wurde. Demgegenüber ergibt sich beim Tod der Ehefrau, sofern der Ehemann vorverstorben ist, eine Pflichtteilsquote des Kindes von 1/4.
Durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft (§§ 2100 ff. BGB) ließe sich vermeiden, dass dasselbe Vermögen zweimal die Grundlage des Pflichtteilsanspruchs bildet. Der Ehemann könnte bestimmen: "Alleinerbin ist meine Ehefrau als Vorerbin, Kind A ist Nacherbe. Kind B ist enterbt." Das enterbte Kind könnte dann im Hinblick auf das Vermögen des Ehemanns nur bei dessen Tod Pflichtteilsansprüche geltend machen, beim Tod der Ehefrau wäre es auf Pflichtteilsansprüche hinsichtlich der der Ehefrau gehörenden Vermögenswerte beschränkt. Denn das enterbte Kind hat zwar einen Pflichtteilsanspruch nach dem Tod seiner Mutter, dieser bezieht sich aber nur auf deren eigenes Vermögen, nicht auf das dem anderen Kind im Wege der Nacherbschaft zugewandte Vermögen. Das Erbschaftsteuerrecht folgt indes nicht der zivilrechtlichen Fiktion des § 2100 BGB, dass der Nacherbe nicht vom Vorerben, sondern vom Erblasser erbt. Steuerlich gilt der Vorerbe nach § 6 Abs. 1 ErbStG als Erbe des Erblassers und im Verhältnis zum Nacherben als Erblasser. Die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft würde damit wiederum zu dem nach der Lebenserfahrung wahrscheinlichen Ergebnis führen, dass dasselbe Vermögen innerhalb relativ kurzer Zeit zweimal der Erbschaftsteuer unterliegt.
Ohne sachkundige fachliche Beratung könnte der Ehemann auch auf den Gedanken kommen, dem Kind, welches erben soll, das Wertpapiervermögen und seine Gesellschaftsanteile unter Nießbrauchsvorbehalt zu schenken, um seine Altersversorgung zu sichern, während er darauf hofft, dass die zehnjährige Frist des § 2325 Abs. 3 BGB bis zu seinem Tod abgelaufen ist. Dies würde jedoch möglicherweise nicht zum gewünschten Ergebnis verhelfen, da aufgrund der Rechtsprechung des BGH in Bezug auf Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt in der Regel eine Leistung des verschenkten Gegenstands i.S.d. § 2325 Abs. 3 BGB und damit der Beginn der Zehnjahresfrist zumindest in Frage gestellt werden können (BGH, Urteil v. 27.4.1994, IV ZR 132/93, NJW 1994, 1791).
Der Ehemann kann zusammen mit seinen Mitgesellschaftern bei der KG gesellschaftsvertraglich festlegen, dass er bei seinem Tod als Gesellschafter gegen eine Abfindung zu Buchwerten ausscheidet und in einer Eintrittsklausel zugunsten des erbenden Kindes vorsehen, dass dieses auf seinen Wunsch hin als Kommanditist aufgenommen wird. Die reduzierenden Wirkungen im Hinblick auf Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsergänzungsanspruch sind aber begren...