Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Erledigungs- oder Terminsgebühr für Kindergeldklageverfahren bei umfassender Begründung der Klage, Ausfüllen von Kindergeldformularen, Beibringen hierzu erforderlicher Belege und Hauptsacheerledigungserklärung nach Abhilfebescheid der Familienkasse. weitestgehender Antrag für finanzgerichtlichen Streitwert maßgeblich. vollständig kopierte Akte regelmäßig nicht nach Nr. 7000 VV-RVG erstattungsfähig
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Erledigungsgebühr ist keine reine Erfolgsgebühr für eine allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit, sondern eine besondere Tätigkeitsgebühr, die anlässlich einer nichtstreitigen Erledigung im Rahmen des Klageverfahrens verdient werden kann und eine besondere, über die allgemeine Prozessführung hinausgehende, auf die Herbeiführung der materiellen Erledigung gerichtete, nicht unwesentliche Tätigkeit voraussetzt. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Prozessbevollmächtigte in einem wegen der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes geführten Kindergeldverfahren seinen Klageantrag umfassend begründet und die notwendigen Unterlagen beschafft und vorgelegt hat.
2. War nach Einreichung der für den Kindergeldanspruch entscheidungserheblichen Unterlagen über die Einkünfte des Kindes eine vollständige Abhilfe durch die Familienkasse zu erwarten, ist diese Abhilfe auch tatsächlich erfolgt und erlässt das FG nach übereinstimmender Erklärung der Erledigung der Hauptsache nur noch einen Kostenbeschluss, steht dem Bevollmächtigten keine Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV-RVG zu.
3. Für die Bestimmung des Streitwerts im finanzgerichtlichen Verfahren ist der weitestgehende Antrag maßgeblich, eine Einschränkung des ursprünglichen Klageantrags ist daher insoweit unbeachtlich.
4. Hinsichtlich der Frage, ob die Herstellung von Kopien und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache i. S. v. Nr. 7000 Nr. a VV-RVG geboten war, schließt sich der Senat der vor allem von den Verwaltungsgerichten bevorzugten, etwas engeren Auslegung des Begriffs „zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten” an.
5. Auch bei einer nur überschlägigen Prüfung der Notwendigkeit der Herstellung von Kopien ist i. d. R. das Kopieren einer kompletten Akte nicht nach Nr. 7000 VV-RVG erstattungsfähig. Regelmäßig sind die Grenzen der Notwendigkeit auch durch den Streitgegenstand gezogen. Dokumente, die außerhalb des streitigen Zeitraumes oder des streitigen Sachverhaltes liegen und bei denen beim ersten Blick offensichtlich ist, dass sie keine unmittelbaren Erkenntnisse für den Streitfall bringen werden, dürfen deshalb grundsätzlich ebenso wenig kopiert werden wie Dokumente, die die Partei in einem früheren Verfahren nachweislich in Händen gehalten oder gar selbst eingereicht hat. Sollen Kopien derartiger Dokumente trotzdem gefertigt werden, so erfordert dies einen substantiierten Vortrag der Notwendigkeit.
Normenkette
RVG § 2 Abs. 2, § 23 Abs. 1; VV-RVG Nrn. 1002, 3202, 7000; VV-RVG Teil 3 Vorbemerk. 3 Abs. 4 S. 1, Abs. 3; GKG § 52 Abs. 1, 3; EStG 2009 § 32 Abs. 4 S. 2
Tenor
1. Der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. Juni 2013 wird dahingehend geändert, dass für das finanzgerichtliche Verfahren die zu erstattenden Kosten auf 522,41 EUR und die insgesamt zu erstattenden Kosten auf 579,53 EUR erhöht werden.
Im Übrigen wird die Erinnerung abgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
3. Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens hat die Erinnerungsführerin zu tragen
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten über die Höhe der der Gebührenrechnung zu Grunde zu legenden Streitwerte, über den Ansatz einer Erledigungsgebühr und einer Terminsgebühr sowie über den Umfang der festzusetzenden Dokumentenpauschale für Kopien aus der zur Einsicht übersandten Behördenakte.
Mit Schreiben des Bevollmächtigten vom 12.09.2011 wurde Klage gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für das Kind XXX ab Januar 2010 eingereicht. Streitig war ausschließlich, ob das Kind den Grenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von 8.004 EUR überschritten hatte. Gleichzeitig wurde beantragt, die Akten zur Einsichtnahme in die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten zu senden. Mit Schriftsatz vom 09.01.2012 wurde der Klageantrag gestellt, Kindergeld bis 31.08.2011 zu gewähren. Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 17.09.2012 verringerte dieser den Klageantrag dahingehend, dass die Beklagte zu verpflichten sei, Kindergeld bis einschließlich Juni 2011 zu gewähren, da die Ausbildung des Kindes im Monat Juni 2011 geendet habe.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte Akteneinsicht genommen und seine Klage mit Schreiben vom 09.01.2012 umfassend begründet und mit Unterlagen nachgewiesen hatte, teilte die Familienkasse mit Schreiben vom 20.02.2012 mit, dass bei Berücksichtigung der erklärten Fahrtkosten der Grenzbetrag im Streitjahr 2010 unterschritten werde und deshalb ein Änderungsbescheid erlassen werden könne. Für das Streitjahr...