Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung eines Feststellungsbeschlusses gem. § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO. Anforderungen an einen gerichtlichen Vergleichsschluss. Kein gerichtlicher Vergleichsschluss bei außergerichtlicher Einigung
Leitsatz (amtlich)
Liegen die formellen Voraussetzungen für eine Vergleichsfeststellung nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht vor, ist der dennoch erfolgte Vergleichsbeschluss unrichtig, kommt nach § 278 Abs. 6 S. 3 ZPO i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO eine Berichtigung in Betracht.
Leitsatz (redaktionell)
1. Für einen gerichtlichen Vergleichsschluss ist es erforderlich, dass entweder ein übereinstimmender Vergleichsvorschlag beider Parteien vorliegt oder dass beide Parteien einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag annehmen.
2. Nicht die außergerichtliche Einigung der Parteien führt zu einem Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren, sondern nur die entsprechenden Erklärungen gegenüber dem Gericht unter Einhaltung der formellen Anforderungen des § 278 Abs. 6 ZPO.
Normenkette
ZPO § 278 Abs. 6, § 164 Abs. 1
Tenor
In dem Rechtsstreit
wird der Beschluss vom 01.03.2023 gemäß § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO in Verbindung mit § 164 Abs. 1 ZPO dahingehend berichtigt, dass das Zustandekommen eines verfahrensbeendenden Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO nicht festgestellt werden konnte.
Gründe
I.
Mit Schriftsatz vom 22.02.2023 (Bl. 323 der Akte) bat die Beklagte das Gericht, den Parteien im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs. 6 Alt. 2 ZPO einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Der Vergleichsvorschlag mit 28 Ziffern war in dem Schriftsatz ausformuliert. Entsprechend dieser Bitte unterbreitete das Gericht den Parteien am 22.02.2023 (Bl. 331 der Akte) einen inhaltsgleichen Vergleichsvorschlag und wies darauf hin, dass dieser Vergleich wirksam werde, wenn er von den Parteien durch Schriftsatz an das Gericht bis zum 10.03.2023 angenommen wird. Mit Schriftsatz vom 28.02.2023 (Bl. 334 der Akte) teilte die Klägerin mit, dass sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hätten. Unter Mitteilung der identischen 28 Vergleichsziffern bat sie um einen feststellenden Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO. Mit weiterem Schriftsatz vom 01.03.2023 (Bl. 342 der Akte) nahm die Klägerin den Vergleichsvorschlag des Gerichts vom 22.02.2023 an.
Mit Beschluss vom 01.03.2023 (Bl. 344 f. der Akte) stellte das Gericht das Zustandekommen des Vergleichs fest. Auf telefonische Nachfrage der Beklagtenseite wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 06.03.2023 (Bl. 346 der Akte) darauf hingewiesen, dass die gerichtliche Feststellung nach der 1. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO erfolgt sei.
Mit Antrag vom 09.03.2023 (Bl. 352 ff. der Akte) begehrt die Beklagte nunmehr Berichtigung des Beschlusses vom 01.03.2023. Fälschlicherweise sei das Zustandekommen eines Vergleichs festgestellt worden. Vorsorglich erklärt sie die Anfechtung des Vergleichs und beantragt hilfsweise die Aufhebung des Beschlusses vom 01.03.2023.
Zur Begründung verweist die Beklagte darauf, mit ihrem Schriftsatz vom 22.02.2023 habe sie ausdrücklich um ein Vorgehen des Gerichts nach der 2. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO gebeten. Ein Vorgehen nach der 1. Alternative sei ersichtlich nicht gewollt gewesen. Da die Beklagte den gerichtlichen Vergleichsvorschlag (bislang) nicht angenommen habe, könne auch nach der 2. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO ein Zustandekommen des Vergleichs nicht festgestellt werden.
Die Klägerseite hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schriftsatz vom 20.03.2023 beantragt sie die Zurückweisung des Berichtigungsantrags. Sie führt an, die Parteien hätten sich außergerichtlich geeinigt. In einem solchen Fall stelle das Gericht die erfolgte Einigung fest und mache diese durch Beschluss zu einem Prozessvergleich. Die Annahmeerklärung vom 01.03.2023 sei nur aus Gründen anwaltlicher Vorsicht erfolgt und ändere nichts daran, dass bereits zuvor durch Einreichung der wechselseitigen Schriftsätze alle notwendigen Erklärungen für einen Vergleichsschluss abgegeben worden seien.
II.
Auf Antrag der Beklagten war der Feststellungsbeschluss vom 01.03.2023 gemäß § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO in Verbindung mit § 164 Abs. 1 ZPO dahingehend zu berichtigen, dass ein verfahrensbeendender Vergleich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zustande gekommen war.
Besteht Streit über das Zustandekommen eines verfahrensbeendenden Vergleichs, können die Parteien die Unwirksamkeit des Vergleichs mittels eines Antrags auf Fortsetzung des Rechtsstreits geltend machen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 33. Auflage 2020, § 278 Rn. 35a). Geht es allerdings nicht um die materiell-rechtliche Wirksamkeit des Vergleichs oder um eine Anfechtung der zum Vergleich führenden Willenserklärungen, sondern wie hier - darum, ob die formellen Voraussetzungen für einen Feststellungsbeschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO im schriftlichen Verfahren vorlagen, kommt nach dem Gesetzeswortlaut auch eine Berichtigung in Anlehnung an die Protokollberichtigung gemäß § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO in Verbindung mit § 164 Abs. 1 ZPO in Betracht (Thoma...