Entscheidungsstichwort (Thema)
Willkürliche Erstellung der Wählerliste durch den Wahlvorstand als grober Verstoß gegen elementare Wahlvorschriften
Leitsatz (amtlich)
Ein besonders grober und offensichtlicher zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führender Verstoß kann vorliegen, wenn ein Wahlvorstand offensichtlich ungeeignete, unvollständige Informationen unklarer Herkunft (hier: im Betrieb kursierende Telefonliste unklarer Herkunft und Datierung) in eine Wähler*innenliste übernimmt, ohne den Versuch zu unternehmen, zu prüfen, ob die Personen überhaupt im Betrieb beschäftigt sind und wer nach §§ 7 und 8 BetrVG wahlberechtigt und wählbar ist, sowie ohne die Aktualität und Plausibilität der Informationen zu hinterfragen.
Normenkette
BetrVG § 19; WO § 2; BetrVG §§ 7-8
Verfahrensgang
ArbG Erfurt (Entscheidung vom 13.03.2019; Aktenzeichen 3 BV 51/18) |
Nachgehend
Tenor
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Erfurt vom 13.03.2019 - 3 BV 51/18 - wird teilweise abgeändert.
Die Betriebsratswahl vom 05. und 06.04.2018 ist nichtig.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im zweiten Rechtszug noch über die Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit einer am 5. und 6.4.2018 durchgeführten Betriebsratswahl.
Die Beteiligte zu 1 betreibt ein Unternehmen der Nahrungsmittelbranche. Im streitgegenständlichen Zeitraum war sie an drei Standorten tätig. Die Produktion befand sich in ......................... Der Geschäftssitz und ein Verkaufsraum befanden sich in ................. Die Bereiche Logistik und Verwaltung waren südlich von .............. im ......................, von den Beteiligten intern auch oft "............Kreuz" genannt. Die Einordnung der Standorte als Betriebe oder Betriebsteile und damit die Frage, welche Mitarbeiter*innen an der Betriebsratswahl teilzunehmen hatten, war zwischen den Beteiligten zum damaligen Zeitpunkt umstritten.
Mit Beschluss vom 23.1.2017 (Blatt 23 und 24 der Akte) bestellte der damalige Betriebsrat einen Wahlvorstand. Dieser hatte drei Mitglieder.
Ein mit dem damaligen Wahlvorstand und der Beteiligten zu 1 als Beteiligte geführtes Beschlussverfahren endete mit einem Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO. Danach verpflichtete sich die Beteiligte zu 1, an den damaligen Wahlvorstand eine Liste mit allen im Betriebsteil .............. beschäftigten Arbeitnehmer*innen mit näheren Angaben zu übergeben (Blatt 25 der Akte).
Der damalige Wahlvorstand forderte die Beteiligte zu 1 auf, ihm Informationen über die am Standort in ............... beschäftigten Mitarbeiter*innen zu geben, damit er eine Wählerliste erstellen kann. Dieser Aufforderung kam die Beteiligte zu 1 nicht nach.
Der Wahlvorstand nahm daraufhin eine Telefonliste und erstellte anhand derer eine Wählerliste für die Betriebsratswahl. Ob und gegebenenfalls welche weiteren Informationen er sich seinerzeit besorgte sowie ob überhaupt und gegebenenfalls wie die Angaben auf der Telefonliste auf Plausibilität und Aktualität überprüft wurden, ließ sich nicht weiter aufklären.
Am 26.2.2018 erstellte der damalige Wahlvorstand ein Wahlausschreiben und leitete die Betriebsratswahl durch Aushang dieses Wahlausschreibens am 28.2.2018 ein. In dem Wahlausschreiben ist unter anderem festgehalten, dass 31 wahlberechtigte Frauen und 33 wahlberechtigte Männer beschäftigt seien, der Betriebsrat aus fünf Mitgliedern zu bestehen habe und auf das Minderheitengeschlecht der Frauen zwei Mindestsitze entfielen. Bestandteil des Wahlausschreibens war die wie oben geschildert zustande gekommene Wählerliste. Wegen weiterer Einzelheiten des Inhaltes des Wahlausschreiben sowie der Wählerliste wird auf die zu den Akten gereichten Kopien hiervon (Blatt 26-31 der Akte) Bezug genommen.
Auf der Wählerliste waren Mitarbeiter*innen als wahlberechtigt aufgeführt, deren Arbeitsverhältnis am Wahltag nicht mehr bestand. Dabei handelte es sich um Frau ............., die Herren ................, ................, deren Arbeitsverhältnis am 31.3.2018 endete und Herr ..................., dessen Arbeitsverhältnis am 28.2.2018 endete. Ferner befand sich mit Herrn ................ eine Person auf der Wählerliste, die nicht in einem Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten zu 1 stand, sondern für ".............." einem Dienstleister für die Beteiligte zu 1, tätig war. Bei zahlreichen auf der Wählerliste aufgeführten Personen fehlen Angaben zur Betriebszugehörigkeit.
Am 5. und 6.4.2018 fand die Betriebsratswahl statt. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Wahlniederschrift (Blatt 32 und 33 der Akte) Bezug genommen. Ausweislich der Wahlniederschrift wurden 30 Wahlumschläge abgegeben. Am 6.4.2018 gab der damalige Wahlvorstand das Wahlergebnis der Beteiligten zu 1 bekannt. Die konstituierende Sitzung des Beteiligten zu 2 fand am 20.4.2018 statt.
Mit am 10.4.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Beteiligte zu 1 die zunächst die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl geltend gemacht und ausgeführt, die gravierenden Fehle...