Leitsatz (amtlich)
1. Die Aussetzung eines Rechtsstreits über Annahmeverzugsvergütung gem. § 148 ZPO kommt erst in Betracht, wenn die Vorgreiflichkeit des Kündigungsschutzverfahrens durch das Gericht positiv festgestellt werden kann. Das ist i. d. R. erst im Kammertermin möglich, weil die Sach- und Rechtslage vorher nicht genügend geklärt ist.
2. Von der Aussetzungsmöglichkeit ist in solchen Fällen nur ausnahmsweise und nur in besonders begründeten Ausnahmefällen Gebrauch zu machen (Anschluss an LAG Düsseldorf, EzA § 148 ZPO Nr. 13; LAG Köln, NZA 1986, 404; LAG Nürnberg, NZA, 1987, 211).
3. Beteiligt sich die beklagte Partei nicht an den Aufklärungsbemühungen des Gerichts, indem sie nichts vorträgt, sondern steuert nur auf die Aussetzung hin, ist zu prüfen, ob Verfahrensverzögerungsabsicht vorliegt. Ein solches Parteiverhalten ist bei der Ermessensausübung über die Frage der Aussetzung zu berücksichtigen.
Normenkette
ZPO § 148
Verfahrensgang
ArbG Jena (Beschluss vom 27.11.2000; Aktenzeichen 2 Ca 425/00) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Jena vom 27.11.2000 – 2 Ca 425/00 – aufgehoben.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten in der Hauptsache über Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf Vergütung für den Zeitraum vom 18.07.2000 bis zum 30.04.2001.
Zwischen den Parteien bestand ein Arbeitsverhältnis, welches die Beklagte zum 18.07.2000 kündigte. Über die Wirksamkeit dieser Kündigung führen die Parteien einen Rechtsstreit, der mittlerweile, nachdem der Kläger in erster Instanz obsiegte, beim Thüringer Landesarbeitsgericht zum Aktenzeichen 2/9 Sa 459/00 anhängig ist.
Der Kläger ist der Rechtsansicht gewesen, die geltend gemachten Ansprüche folgten aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Eine Aussetzung des Verfahrens sei aus seiner Sicht nicht hinzunehmen, weil nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess das nachzuzahlende Arbeitsentgelt einer ungünstigeren Besteuerung unterliege und dadurch nur schwer durchsetzbarer Steuerschaden entstehe.
Die Beklagte hat zur Sache nichts vorgetragen, sondern ist der Ansicht, der Kündigungsschutzprozess sei vorgreiflich für den Annahmeverzugsprozess.
Das Arbeitsgericht hat nach der Güteverhandlung ohne schriftsätzliche Vorbereitung eines Kammertermins mit Beschluss vom 27.11.2000 den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess ausgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses sei für den Streit über die Annahmeverzugslohnansprüche vorgreiflich, weil Voraussetzung für diese Ansprüche das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sei. Die vom Kläger lediglich abstrakt vorgetragene Gefahr von Steuernachteilen stelle keinen Grund zur Aussetzung dar; ferner sei davon auszugehen, dass aufgrund des Rückgangs der Berufungen beim Thüringer LAG eine alsbaldige Entscheidung zu erwarten sei.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde vom 27.12.2000.
Er behauptet, allein für das Kalenderjahr 2000 beliefen sich die Annahmeverzugsansprüche auf nahezu 20.000,00 DM. Selbst bei Zahlung eines solchen Betrages im Jahre 2001 käme es zu einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung des Klägers. Er ist hier zu der Rechtsansicht, aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, nach der ein Arbeitgeber nicht für Steuerschäden nach Ausspruch einer Kündigung hafte, wenn er die Kündigung trotz ihrer objektiven Unwirksamkeit für wirksam habe halten dürfen, sei die Erstattung der zu erwartenden Nachteile für den Kläger nahezu ausgeschlossen. Die gesunkenen Fallzahlen beim Thüringer Landesarbeitsgerichts seien kein Hinweis auf die beschleunigte Abwicklung des Verfahrens, weil das vorgreifliche Kündigungsschutzverfahren der mittlerweile aufgelösten 9. Hilfskammer zu geordnet gewesen sei.
Er beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Jena, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheiudng des Kündigungsschutzverfahrens, Az.: 9 Sa 459/00 beim Thüringer Landesarbeitsgericht auszusetzen, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihre bisherigen Ausführungen und ist der Meinung, die Sache werde bestimmt noch in 2001 verhandelt.
Mit Verfügung vom 12.04.2001 hat das Arbeitsgericht versucht aufzuklären, ob es weitere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte außer dem Bestand des Arbeitsverhältnisses geben könnte, die dem Annahmeverzugsanspruch des Klägers entgegengesetzt würden. Die Klägerseite hat hierzu keine verständlichen Ausführungen gemacht; die Beklagtenseite hat hierzu nichts weiter vorgetragen.
Mit Beschluss vom 14.05.2001 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Thüringer Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt und im begründeten Nichtabhilfebeschluss ausgeführt, die Frage des Bestehens des Arbeitsverhältnisses sei vorgreiflich, weil die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche ausschließlich nur noch davon abhingen, ob die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung rechtswirksam ...