Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftsausschuss. Wiedereinsetzung. Postlaufzeiten
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Rechtsanwalt darf davon ausgehen, dass eine Postbeförderung seiner Beschwerdeschrift innerhalb von vier Tagen nach Aufgabe zur Post erfolgt. Sind derartige Verzögerungen im Postlauf bislang nicht vorgekommen, so besteht auch keine Pflicht zur telefonischen Erkundigung beim Beschwerdegericht hinsichtlich des rechtzeitigen Eingangs der Beschwerde oder eine Pflicht zur Übermittlung der Beschwerde zur Fristwahrung per Telefax.
2. Ein Unternehmen, das für Zeitungen lediglich das Anzeigengeschäft abwickelt, genießt nicht den Tendenzschutz nach § 118 BetrVG. Bei ihm kann deshalb ein Wirtschaftsausschuss errichtet werden.
Normenkette
BetrVG §§ 106, 118; ZPO § 233
Verfahrensgang
ArbG Erfurt (Beschluss vom 04.02.2004; Aktenzeichen 5 BV 32/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Erfurt vom 04.02.2004 – 5 BV 32/03 – wird zurückgewiesen.
Zur Klarstellung wird der Tenor des angefochtenen Beschlusses wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass in dem Unternehmen der Antragsgegnerin ein Wirtschaftsausschuss gem. § 106 BetrVG zu bilden ist.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Beteiligten streiten darum, ob bei der Antragsgegnerin ein Wirtschaftsausschuss zu bilden ist. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des angegriffenen Beschlusses Bezug genommen.
Das vorinstanzliche Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und festgestellt, „dass im Unternehmen der Beteiligten zu 2) ein Wirtschaftsausschuss gebildet wurde”. Hiergegen richtet sich die vorliegende, am Tag nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin beantragt,
ihr gegen die Versäumung der am 22.03.2004 abgelaufenen Frist für die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Erfurt vom 04.02.2004 zum Aktenzeichen 5 BV 32/03 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
sowie
den Beschluss des Arbeitsgerichts Erfurt vom 04.02.2004 zum Aktenzeichen 5 BV 32/03 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegnerin ist im Hinblick auf die von ihr um einen Tag versäumte Einhaltung der Beschwerdefrist gem. §§ 233 ff ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie die Nichteinhaltung der Beschwerdefrist nicht verschuldet hat. Die Antragsgegnerin hat glaubhaft gemacht, dass sie die Beschwerdeschrift am 19.03.2004 um 9.00 Uhr morgens bei der Hauptpost in E. zum Postversand aufgegeben hat. Sie konnte deshalb unbeschadet des bevorstehenden Wochenendes davon ausgehen, dass die für den Postlauf zur Verfügung stehenden vier Tage ausreichend waren, um einen rechtzeitigen Eingang, d. h. am 22.03.2004, beim Thüringer Landesarbeitsgericht zu ermöglichen. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin war nach den Besonderheiten des vorliegenden Falles auch nicht verpflichtet, am Montag, den 22.03.2004 beim Thüringer Landesarbeitsgericht sich telefonisch nach dem Eingang des Beschwerdeschriftsatzes zu erkundigen. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn dem betreffenden Anwaltsbüro bereits einmal die Erfahrung gemacht worden wäre, dass eine derartige Postlaufzeit für den fristgemäßen Eingang einer Rechtsmittelschrift nicht ausgereicht hat. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat aber in der Beschwerdeverhandlung glaubhaft versichert, dass Derartiges in seinem Anwaltsbüro bis dahin noch niemals vorgekommen ist. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin muss sich auch nicht vorhalten lassen, dass er für die Rechtsmitteleinlegung den Postweg und nicht eine Fax-Übersendung gewählt hat. Eine Fax-Übersendung wäre zur Vermeidung einer schuldhaften Fristversäumung nur dann erforderlich gewesen, wenn aufgrund früherer negativer Erfahrungen damit zu rechnen gewesen wäre, dass eine fast viertägige Postlaufzeit nicht zur Einhaltung der Rechtsmittelfrist ausgereicht hätte.
Der Wiedereinsetzungsantrag der Antragsgegnerin ist auch frist- und formgerecht beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen. Dies bedarf keiner weiteren Ausführung.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den antragsstattgebenden Beschluss des vorinstanzlichen Arbeitsgerichts ist allerdings nicht begründet. Die Antragsgegnerin unterliegt nicht dem Schutz des § 118 BetrVG, der in seinem Geltungsbereich die Bildung eines Wirtschaftsausschusses nach § 106 BetrVG ausschließt. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich nicht um ein Unternehmen, welches unmittelbar und überwiegend zum Zwecke der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dient, auf die Artikel 5 Abs. 1 des 2. Grundgesetzes Anwendung findet. Die Antragsgegnerin will den die Anwendung des § 106 BetrVG ausschließenden Tendenzträgerschutz daraus herleiten, dass sie das Anzeigengeschäft für die T. Zeitung, die O. Z...