Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestlohngesetz als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Kein Schutz aus § 20 MiLoG bei vollständigem Entgeltausfall
Leitsatz (redaktionell)
1. Das MiLoG ist im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ein Schutzgesetz, denn die Normen der §§ 1, 20, 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG schützen mindestens auch die einzelnen Arbeitnehmer vor Zahlung unangemessen niedriger Löhne. Die Zahlungspflicht in § 20 MiLoG und die daran anknüpfende Bußgeldvorschrift sollen ein Arbeitsentgelt in Höhe des Mindestlohns und damit angemessene Arbeitsbedingungen sicherstellen.
2. Die Schutzrichtung des MiLoG besteht nicht darin, vor Lohnausfall zu schützen, sondern davor, dass ein zu niedriger Lohn vereinbart und gezahlt wird. Das Mindestlohngesetz soll Schutz vor Unterschreitung einer angemessenen Lohnhöhe bieten und keinen Schutz vor Lohnausfall an sich.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; MiLoG §§ 1, 20, 21 Abs. 1 Nr. 9; OWiG § 9
Verfahrensgang
ArbG Gera (Entscheidung vom 12.06.2019; Aktenzeichen 1 Ca 67/18) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 12.06.2019 - 1 Ca 67/18 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten als Geschäftsführer seiner ehemaligen Arbeitgeberin gesamtschuldnerisch auf Schadenersatz aufgrund unterbliebener Lohnzahlung für die Monate Juni und Juli 2017 in Höhe des Mindestlohns in Anspruch.
Der Kläger war seit dem 01.01.2000 bei der ........ GmbH (Schuldnerin) zuletzt zu einem Stundenlohn in Höhe von brutto 10,35 EUR bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Der gesetzliche Mindestlohn betrug in dieser Zeit 8,84 EUR brutto. Die Beklagten waren Geschäftsführer der Schuldnerin.
Im Zeitraum vom 01.06.2017 bis 14.07.2017 arbeitete der Kläger für die Schuldnerin. Im Zeitraum vom 15.07.2017 bis 04.08.2017 nahm er Urlaub. Für die Monate Juni und Juli 2017 zahlte die Schuldnerin kein Entgelt. Der Kläger erhielt auch keine Lohnersatzleistungen für diesen Zeitraum.
Am 01.11.2017 eröffnete das Amtsgericht Gera das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Insolvenzgeld wurde erst für einen Zeitraum ab dem 01.08.2017 gezahlt.
Mit der am 13.02.2018 beim Arbeitsgericht Gera (1 Ca 67/18) eingegangenen Klage hat der Kläger Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns für den Monat Juni 2017 in Höhe von 1.555,84 EUR brutto und für den Monat Juli 2017 in Höhe von 1.485,12 EUR brutto begehrt. Wegen der Berechnung wird auf die Klageschrift vom 09.02.2018 (Bl. 2 d.A.) verwiesen.
Erstinstanzlich hat der Kläger behauptet, er habe aufgrund teilweiser monatelang verspätet gezahlter Vergütungen im Jahr 2017 ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung geltend gemacht. Lohnforderungen würden sich aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges rechtfertigen.
Er hat einen direkten Zahlungsanspruch gegen die Beklagten auf §§ 823 Abs. 2 BGB, 21 Abs. 1 Nr. 9 MiloG gestützt. Die Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohnes stelle eine Ordnungswidrigkeit dar. Das Mindestlohngesetz sei ein drittschützendes Gesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger brutto 1.555,84 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger brutto 1.485,12 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2017 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 1) hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, es fehle an einer Rechtsgrundlage für einen Schadenersatzanspruch gegen ihn persönlich.
Mit Urteil vom 12.06.2019 hat das Arbeitsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass auch Schadensersatzansprüche sich nur gegen die Arbeitsvertragspartei richten könnten. Ansprüche gegen die juristische Person könnten nicht gegenüber ihren Organen, den Geschäftsführern persönlich, geltend gemacht werden.
Gegen das ihm am 03.07.2019 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Gera hat der Kläger mit am 18.07.2019 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese begründet.
Mit der Berufung wiederholt der Kläger seine erstinstanzlich vorgebrachten Argumente und führt zudem an, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es nicht nur vertragliche, sondern auch gesetzliche und insbesondere deliktische Ansprüche gäbe. Die deliktische Haftung des Geschäftsführers sei z.B. aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 GmbHG bejaht worden. Hier seien die Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG unmittelbar zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes verpflichtet. Das Mindestlohngesetz diene dem Schutz von Arbeitnehmern vor unangemessen niedrigen Löhnen. Damit habe es auch drittschützenden Charakter. In diesem Sinne sei es Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.
Zwar verpflichte das Mind...