Verfahrensgang
ArbG Gera (Urteil vom 30.11.1994; Aktenzeichen 7 Ca 1272/94) |
Tenor
1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 30.11.1994, Az.: 7 Ca 1272/94, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist die Rechtswirksamkeit einer vom Beklagten ausgesprochenen Kündigung streitig.
Die am 08.06.1955 geborene Klägerin ist seit 01.08.1976 beim Beklagten als Lehrerin, zuletzt als Grundschullehrerin, beschäftigt.
Die Klägerin hat am 29.04.1991 im Personalfragebogen die Frage nach einer Tätigkeit für das MfS/AfNS verneint (Bl. 50 d. A.).
Dem Beklagten ist ein Bericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (im folgenden: Bundesbeauftragter) vom 27.01.1994 (Bl. 31–38 d. A.) zugegangen. Aus diesem Bericht geht hervor, daß eine Person mit dem Mädchennamen und dem Geburtsdatum der Klägerin in den überprüften Unterlagen als GMS (Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit) geführt wurde. Der Deckname dieser Person lautet „…”. Der Zeitraum der Erfassung datiert vom 30.03.1973 bis 25.06.1975. Im einzelnen wird für den Inhalt der vollständigen Unterlagen auf die vom Landesarbeitsgericht beigezogenen Akten des Bundesbeauftragten (Bl. 122– 146 d. A.) sowie das Original einer mit dem Namen „…” unterzeichneten Berufung (Klarsichthülle zu Bl. 154 d. A.) Bezug genommen
Der Beklagte hat die Klägerin für den 14.02.1994 zu einem Gespräch geladen. Nach dem Gesprächsprotokoll (Bl. 41 d. A.) gab die Klägerin an, daß sie von einer Tätigkeit für das MfS nichts wisse. Der damalige Schuldirektor am Institut für Lehrerbildung habe sie beauftragt, für Untersuchungen der Kriminalpolizei Berichte zu schreiben. Die Klägerin räumte ein, den in den Akten befindlichen Bericht vom 12.11.1973 geschrieben zu haben. Sie habe diesen Bericht mit einem falschen Namen unterschrieben, damit ihr später keine Nachteile entstünden.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 07.04.1994, der Klägerin zugegangen am 21.04.1994, das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich, gekündigt (Bl. 6–8 d. A.). Im Kündigungsschreiben wird die Kündigung auf den Kündigungsgrund gem. Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2 der Anlage I zum Einigungsvertrag gestützt, ferner darauf, daß die Klägerin die Zusammenarbeit mit dem MfS wahrheitswidrig verneint habe und daher das für die Tätigkeit im Schuldienst unverzichtbare Vertrauensverhältnis nicht mehr gegeben sei.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei keine inoffizielle Mitarbeiterin des MfS gewesen und habe daher auch die Frage nach einer solchen Tätigkeit wahrheitsgemäß verneint. Ihr sei lediglich erinnerlich, daß sie während ihrer Ausbildung am Institut für Lehrerbildung im Jahre 1973 – und zwar noch vor ihrem 18. Geburtstag – zum Direktor bestellt worden sei. Es sei eine weitere Person anwesend gewesen, die als Mitarbeiter der Kriminalpolizei vorgestellt worden sei. Bei dem Gespräch sei es um Ordnung und Sicherheit, um Stärkung des Sozialismus, um den Klassenfeind und um Belange innerhalb der Schule gegangen. Sie habe schließlich auf ausdrückliche Aufforderung durch den Direktor zwei Berichte geschrieben, die sie dem Direktor für polizeiliche Ermittlungen übergeben habe. Sie bestreite mit Nichtwissen, daß es sich dabei um die in den Unterlagen des Bundesbeauftragten befindlichen Berichte vom 12.11.1973 (Bl. 36, 37 d. A. – Bl. 135 und 135 d. A.) handele. Von einer Berufung durch das MfS sei ihr nichts bekannt. Sie bestreite, daß das in den Unterlagen (dortiges Aktenblatt 8) befindliche Schriftstück ihre Unterschrift trage.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 07.04.1994 aufgelöst wurde;
- den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertragsgemäßen Bedingungen weiter zu beschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung sei gerechtfertigt, weil sich aus den Unterlagen des Bundesbeauftragten ergebe, daß die Klägerin für das MfS tätig gewesen sei. Die Klägerin habe u. a. über Westkontakte von Mitstudenten und deren Verhältnis zur Kirche berichtet. Die Klägerin habe auch die Frage nach einer Tätigkeit für das MfS wahrheitswidrig beantwortet. Diese Lüge lasse einen grundsätzlichen Mangel an persönlicher Eignung für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst erkennen. Es sei deshalb auch das für eine Tätigkeit im Schuldienst unverzichtbare Vertrauensverhältnis nicht mehr gegeben.
Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise insoweit stattgegeben, als es feststellte, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 07.04.1994 geendet hat, sondern bis 31.12.1994 fortbesteht. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung der klageabweisenden Entscheidung hat es ausgeführt, daß die Klägerin wegen mangelnder persönlic...