Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates

 

Leitsatz (amtlich)

Wird im Betrieb ein Entgeltsystem praktiziert, das sich aus Fixum und Provisionen zusammensetzt, so hat der Betriebsrat bei einer Veränderung in einem Teil des Entgeltsystems (hier: Provisionskürzungen) gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen. Die Ausübung des Mitbestimmungsrechts hat nicht zwangsläufig Auswirkungen auf die Lohnhöhe.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 10-11

 

Verfahrensgang

ArbG Erfurt (Beschluss vom 08.12.2000; Aktenzeichen 8 BV 15/2000)

 

Tenor

1) Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Erfurt vom 08.12.2000, Az.: 8 BV 15/2000, abgeändert.

Es wird festgestellt, daß die von der Antragsgegnerin zum 01.09.1999 vorgenommene Herabsetzung der Provisionssätze für Anzeigenberater mitbestimmungspflichtig war und die Antragstellerin das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt hat.

2) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I)

Zwischen den Beteiligten ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Vergütungsregelungen streitig.

Der Antragsteller ist der im Betrieb der Beteiligten zu 2) seit 10.06.1999 gebildete Betriebsrat.

Der beteiligte Arbeitgeber (Beteiligte zu 2)) gibt überregionale Anzeigenblätter heraus. Er beschäftigt im Außendienst tätige Anzeigenberater, die Anzeigenkunden aufsuchen und Geschäfte für das Unternehmen abschließen. Das Gehalt der Anzeigenberater setzt sich zu einem kleinen Teil aus einem Fixum (derzeit 1.350,00 DM brutto monatlich) und zum größeren Teil aus Provisionen zusammen. Die Arbeitsverträge der Anzeigenberater enthalten folgende einheitliche Regelung:

Die Provisionen richten sich nach den von Verlag jeweils festgelegten Sätzen. Sie werden dem Mitarbeiter in einem gesonderten Schreiben mitgeteilt. Der Verlag kann die Provisionssätze jederzeit neu festlegen, ohne daß es einer Kündigung des Vertrages bedarf.

Die gezahlten Provisionen setzen sich aus mehreren Positionen zusammen. Es wird eine Grundprovision für Abschlüsse mit den vom Anzeigenberater betreuten Ortskunden gezahlt. Weitere Provisionen betreffen Anzeigengeschäfte, die über eine Agentur vermittelt werden sowie Aufträge für Beilagen. Schließlich wird für Geschäfte mit anderen Kunden ebenfalls eine Provision gezahlt. Die Provisionshöhe ist sowohl für die einzelnen Provisionsarten als auch innerhalb der jeweiligen Provisionsart für die einzelnen Anzeigenberater unterschiedlich hoch festgesetzt.

Der Arbeitgeber hat die Provisionssätze bei sieben seiner Anzeigenberater mit Wirkung ab 01.09.1999 herabgesetzt. Für drei beispielhaft genannte Anzeigenberater erfolgte bei der Grundprovision eine Kürzung von 12 % auf 10 % (Anzeigenberaterin H.), von 10 % auf 8 % (Anzeigenberater K.) und von 7 % auf 6 % (Anzeigenberater S.). Beim letztgenannten Anzeigenberater wurden auch die Provisionen für Beilagenaufträge von 4 % auf 3 % und für Agenturkunden von 5 % auf 3 % herabgesetzt.

Als Grund für die Provisionskürzungen hat der Arbeitgeber angegeben, daß sich durch die Einführung eines Sonntagstitels beim Anzeigenblatt die verdienten Provisionen erhöht hätten, ohne daß dafür die Anzeigenberater eine wesentliche Gegenleistung hätten erbringen müssen. Wegen der eingetretenen Umsatzsteigerung erhielten die Anzeigenberater trotz der Provisionskürzung immer noch ein höheres Einkommen als vor der Provisionskürzung.

Der antragstellende Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Provisionskürzungen unterlägen seinem Mitbestimmungsrecht, da eine Änderung in der betrieblichen Lohngestaltung vorliege. Darüber hinaus seien Provisionen leistungsbezogene Entgelte, die mit Akkord- und Prämienentlohnung vergleichbar seien.

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, daß die von der Geschäftsleitung zum 01.09.1999 vorgenommene Herabsetzung der Provisionssätze für Anzeigenberater einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Ziff. 10 und 11 BetrVG unterfallen und dieses verletzt worden ist,

hilfsweise,

festzustellen, daß die von der Geschäftsleitung zum 01.09.1999 vorgenommene Herabsetzung der Provisionssätze für Anzeigenberater unter Verletzung des Informationsrechts nach § 80 Abs. 2 BetrVG erfolgt ist.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Es ging nach dem erstinstanzlichen Vortrag des Antragstellers davon aus, daß die Grundprovision bei allen Anzeigenberatern einheitlich um 2 % gekürzt worden sei. Es war der Auffassung, daß in der gleichbleibenden Herabsetzung der Provisionen keine Änderung der betrieblichen Lohngestaltung i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu sehen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Gründe wird auf den Inhalt des Beschlusses (Bl. 89 – 95 d. A.) Bezug genommen.

Der Betriebsrat wendet sich gegen den ihm am 09.01.2001 zugestellten Beschluß mit der am 26.01.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 26.03.2001 am 26.03.2001 begründeten Beschwerde.

D...

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