Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen

 

Leitsatz (amtlich)

Die subjektive Voraussetzung der kongruenten Deckungsanfechtung nach § 130 InsO – Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit – muss im Einzelfall festgestellt werden. In der Unternehmenskrise des Arbeitgebers rechtfertigen schleppende Lohnzahlungen allein nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit (im Anschluss an BGH vom 19.02.2009, IX ZR 62/08, BGHZ 180,63). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber mit den angefochtenen Lohnzahlungen länger als drei Monate im Rückstand war.

 

Normenkette

InsO § 17 Abs. 2, 130, § 133 Abs. 1, 142-143

 

Verfahrensgang

ArbG Nordhausen (Urteil vom 30.03.2007; Aktenzeichen 4 Ca 1194/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 30.03.2007, 4 Ca 1194/06, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Sch. (künftig: Schuldner). Das Insolvenzverfahren war auf Gläubigerantrag vom 02.08.2004 am 14.10.2004 eröffnet worden.

Der Schuldner betrieb unter der Fa. Sch. Elektro Anlagen Bau im thüringischen N. ein Unternehmen mit ca. 40 Arbeitnehmern. Der Beklagte war als Elektroinstallateur beschäftigt. Ab Oktober 2003 war der Schuldner mit den Lohnzahlungen in unterschiedlichem Umfang zunehmend in Rückstand geraten. Grund war unter anderem ein Streit mit dem Auftraggeber eines Krankenhausbaues in E., der die gestellte Rechnung über ca. 1 Million Euro nicht anerkannte. Der „Millionenstreit” ging durch die Lokalpresse. Auf die vom Insolvenzverwalter vorgelegten Presseartikel vom 03.06.04, 10.06.2004 und 11.06.2004 (Bl. 9 bis 12 d.A.) wird Bezug genommen.

Am 14.05.2004 zahlte der Schuldner an verschiedene Arbeitnehmer – darunter der Beklagte – rückständige Löhne in Höhe von insgesamt 42 155,11 EUR, am 21.06.2004 in Höhe von 8 941,13 EUR und am 27.07.2004 in Höhe von 24 576,43 EUR. Der Beklagte erhielt am 14.05.2004 ausstehenden Lohn für 12/2003 in Höhe von 775,73 EUR, am 21.06.2004 ausstehenden Lohn für 1/2004 in Höhe von 1 108,85 EUR und am 27.07.2004 ausstehenden Lohn für 2/2004 in Höhe von 1 045,92 EUR. Seine Arbeitsvergütung ab März 2004 wurde nicht gezahlt. Deshalb beendete der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Eigenkündigung zum 18.08.2004. Bis dahin war er auf Baustellen des Schuldners eingesetzt gewesen.

Die Lohnverbindlichkeiten des Schuldners insgesamt beliefen sich am 14.05.2004 auf 159 803,79 EUR. Sie stiegen bis Ende 7/2007 auf 236 251,22 EUR an. Sonstige Verbindlichkeiten bestanden Anfang Mai 2004 im Umfang von 1 171 955,28 EUR.

Wegen Gläubigerbenachteiligung hat der Rechtvorgänger des Klägers im Amt des Insolvenzverwalters die in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung geleisteten Lohnzahlungen mit Parallelklagen vor dem Arbeitsgericht angefochten. Im Rechtsstreit hier verlangt er Rückgewähr der dem Beklagten ab 02.05.2004 gezahlten 2 930,50 EUR. Das Arbeitsgericht hat die Rechtswegzuständigkeit nicht einheitlich beurteilt und einen Teil der Parallelsachen in den ordentlichen Rechtsweg verwiesen. Dort ist inzwischen zu Ungunsten des Insolvenzverwalters eine erste Entscheidung des BGH ergangen (Urteil vom 19.02.2009, IX ZR 62/08 ). Es ging um die Anfechtung einer Restlohnzahlung für 2/2004 und Teillohnzahlung für 3/2004 am 14.05.2004, sowie der Restlohnzahlung für 3/2004 und Lohnzahlung für 4/2004 am 27.07.2004. Der dortige Beklagte war beim Schuldner ebenfalls als Elektroinstallateur beschäftigt gewesen. Vor der Entscheidung des BGH hatte das Thüringer Landesarbeitsgericht mit den – rechtskräftigen – Urteilen vom 04.07.2008 (8 Sa 409/07, n.v.: angefochtene Lohnzahlung an einen Elektroinstallateur) und vom 24.07.2008 (3 Sa 411/07, juris: angefochtene Lohnzahlung an einen Bauleiter) zu Gunsten des Insolvenzverwalters erkannt.

Im Rechtsstreit hier hat das Arbeitsgericht die Klage unter Bejahung der Rechtswegzuständigkeit mit Urteil vom 30.03.2007 abgewiesen. Auf dessen Tatbestand wird ergänzend Bezug genommen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes nach § 130 InsO seien nicht erfüllt. Zwar sei der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Lohnzahlungen objektiv zahlungsunfähig gewesen. Es fehle jedoch an den subjektiven Voraussetzungen in der Person des Beklagten. Positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sei auszuschließen. Er habe weder die Verbindlichkeiten gekannt, noch sei er im Stande gewesen, die Werthaltigkeit des vorhandenen Vermögens zu beurteilen. Dem Beklagten seien auch keine Umstände bekannt gewesen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen ließen. Ob er die Presseartikel über den Krankenhausstreit gekannt habe, sei schon offen. Jedenfalls erlaube die Berichterstattung über den Streit mit dem Auftraggeber keinen Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Auch die bis fünf Monate verzöger...

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