Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Beschäftigungszeiten nach § 19 BAT-O
Leitsatz (amtlich)
1. Die zwischen den Parteien des öffentlichen Dienstes hauptsächlich bestehende Streitfrage, welche Beschäftigungszeit dem Arbeitsverhältnis gem. § 19 BAT zugrundezulegen ist, kann zum Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO gemacht werden (gegen Sächsisches LAG Urteil vom 08.06.1994, 2 Sa 137/94, Der Betrieb 1994, 1684).
2. Die Angestellte im öffentlichen Dienst (hier: Krankenschwester) hat mangels Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen nach § 19 BAT-O in der Regel keinen vertraglichen Anspruch auf Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten, deren Anerkennung vor Inkrafttreten des § 19 BAT-O im Rahmen eines Überleitungsvertrages zwischen einem VEB-B. K. und einem Bezirkskrankenhaus, dessen Aufgaben der jetzige Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes (hier: Freistaat Thüringen) übernommen hat, vereinbart worden war.
Normenkette
ZPO § 256; BAT-O § 19
Verfahrensgang
ArbG Suhl (Urteil vom 21.03.1994; Aktenzeichen 5 Ca 3446/93) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 21.03.1994 (5 Ca 3446/93) abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Anerkennung von Beschäftigungszeiten.
Die am 23.11.1952 geborene Klägerin arbeitet derzeit als Fachkrankenschwester für Anästhesie in dem vom beklagten Freistaat getragenen Klinikum S. zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt DM 2.300,00.
Zwischen den beiderseits tarifgebundenen Parteien wurde bei Übernahme des früheren Bezirkskrankenhauses S. durch den Beklagten im Jahre 1991 ein neuer schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen, dessen Vorlage zu den Gerichtsakten den Parteien aber offensichtlich nicht möglich war.
Zuvor war die Klägerin seit dem 05.07.1976 (vgl. Arbeitsvertrag vom 01.07.1976 Bl. 5 d. A.) im Bezirkskrankenhaus S. als Fachkrankenschwester beschäftigt. Sie wechselte dann auf eigenen Wunsch, weil sie nämlich keine Schichtarbeit mehr ausüben wollte, mit Wirkung vom 16.02.1984 (vgl. Arbeitsvertrag vom gleichen Tag Bl. 5 d. A.) in den VEB B. E. in dessen Kombinatsbetrieb Industriebau Z. und war dort als Mitarbeiterin der gesundheitlichen Betreuung tätig.
Mit Überleitungsvertrag vom 04.04. bzw. 09.04.1990 (vgl. Bl. 7 ff. d. A.) nahm sie dann wieder ab 09.04.1990 ihre alte Tätigkeit als Fachkrankenschwester im Bezirkskrankenhaus S. auf.
Der Überleitungsvertrag enthält in seiner Ziff. 4 unter der Rubrik „zusätzliche Vereinbarung (z. B. Teilbeschäftigung, Dauer des befristeten Arbeitsvertrages, besondere Kündigungsfristen, Regelungen für Heimarbeiter, Werkwohnung, übernommene Ansprüche)” den maschinenschriftlichen Eintrag:
- Betriebszugeh.: 16.02.1984
- Kündigungsfrist: 3 Monate
- Kündigungstermin: nur zum Monatsende
Ziff. 7 des Vertrages lautet wie folgt:
Änderungen der in diesem Überleitungsvertrag vereinbarten Bedingungen können gemäß § 49 AGB nur in Übereinstimmung zwischen den betroffenen Partnern des Überleitungsvertrages erfolgen. Sie bedürfen der Schriftform. Soweit arbeitsrechtliche Bestimmungen andere Regelungen treffen, sind entgegenstehende Vereinbarungen dieses Überleitungsvertrages gegenstandslos.
In diesen Fällen gelten die arbeitsrechtlichen Bestimmungen.
Dieser Überleitungsvertrag kann nur nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen (§§ 51, 53 AGB) aufgelöst werden.
Mit Schreiben vom 28.05.1993 (vgl. Hülle Bl. 71 d. A.) erkannte das Klinikum S. eine Beschäftigungszeit ab 09.04.1990 an. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 23.06.1993 (vgl. Bl. 11 d. A.) die Anerkennung einer Beschäftigungszeit ab 05.07.1976, was das beklagte Land mit dem dem Gericht nicht vorliegenden Schreiben vom 14.07.1993 ablehnte. Nachdem auch ein Schreiben der ÖTV vom 18.08.1993 (Bl. 9 d. A.) keine Anerkennung zur beantragten Beschäftigungszeit brachte, reichte die Klägerin am 29.11.1993 die vorliegende Klage beim Arbeitsgericht ein, die dem Beklagten am 29.12.1993 zugestellt wurde.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass sie aus § 19 BAT-O in Verbindung mit der Vereinbarung im Überleitungsvertrag einen Anspruch auf Anerkennung einer Beschäftigungszeit seit 1976 habe.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Klägerin unter Zugrundelegung des Überleitungsvertrages vom 09.04.1990 bei der Beklagten eine ununterbrochene Beschäftigungszeit seit dem 05.07.1976 aufweist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, dass eine Anerkennung der zuerst im Bezirkskrankenhaus S. bzw. im VEB E. zurückgelegten Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O nicht in Frage komme, weil die Klägerin zum einen ihr Arbeitsverhältnis zum Bezirkskrankenhaus im Jahre 1984 auf eigenen Wunsch beendet habe und weil das Land zum anderen nicht die Aufgaben des Baukombinates übernommen habe. Die Anerkennung der dortigen Beschäftigungsz...