Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage nach Stasi-Tätigkeit. Anfechtung des Arbeitsvertrags. Lehrer
Leitsatz (redaktionell)
Es besteht keine Einschränkung des Fragerechts des öffentlichen Arbeitgebers nach früherer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) im Zeitraum bis 1989. Die Falschbeantwortung einer solchen Frage kann zur Anfechtung des Arbeitsvertrags eines Lehrers berechtigen.
Normenkette
BGB §§ 123, 144, 124
Verfahrensgang
ArbG Erfurt (Urteil vom 18.01.2002; Aktenzeichen Ca 1489/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 18.01.2002 – Az.: 5 Ca 1489/01 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von dem Beklagten erklärten Anfechtung des Arbeitsvertrages sowie um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der 1962 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit dem 06.01.2000 war er als Lehrer für Sport und Werken im Schuldienst zunächst aufgrund eines bis zum 19.12.2000 befristeten Vertrages am Förderzentrum II des Schulbereiches J. des Beklagten tätig. Diese Tätigkeit endete aufgrund Aufhebungsvertrages vom 14.08.2000. Am 14.08.2000 schlossen die Parteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag, wonach der Kläger ab 15.08.2000 an der Förderschule für Lernbehinderte in B. zu einem Bruttoverdienst von 3.600,00 DM tätig war. Zuvor hatte der Kläger am 04.07.2000 einen Personalfragebogen ausgefüllt, wegen dessen Inhalt auf Blatt 97 der Akten verwiesen wird.
Nach dem Einzelbericht der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR vom 27.03.2000 war der Kläger im Anschluss an eine Kontaktphase vom 13.04.1983 bis 19.05.1983 als Gesellschaftlicher Mitarbeiter (GMS) registriert, nachdem er am 19.05.1983 eine Bereitschaftserklärung (Bl. 67 d. A.) abgegeben hatte. Der Kläger berichtete überwiegend mündlich. Es gab lediglich einen handschriftlichen Bericht, den der Kläger mit Decknamen unterzeichnete. Der Kläger hatte mehrere Führungsoffiziere. Nach Auskunft der Bundesbeauftragen gab es 18 Treffberichte und 65 Berichte der Führungsoffiziere nach Informationen des Klägers. Die letzte mündliche Information des Klägers datierte vom 06.09.1989. Dem Kläger wurden während des Wehrdienstes vor allem personenbezogene Aufträge übertragen. Während des Studiums und der späteren Trainertätigkeit in J. standen nach Auskunft der Bundesbeauftragten die Erarbeitung von Personeneinschätzungen wie z. B. über Leumund, Arbeitsklima, Meinungsäußerungen zum Privatleben und zur politischen Haltung im Mittelpunkt des Interesses. Nach Auskunft der Bundesbeauftragten erhielt der Kläger 1987 3 Karten für ein Sportereignis im Wert von 45,30 M als Anerkennung für seine Leistungen in der inoffiziellen Zusammenarbeit. Auszeichnungen durch den Staatssicherheitsdienst sind nicht ersichtlich.
Die Mitteilung der Bundesbeauftragten gingen dem Beklagten am 05.03.2001 zu. Nach Anhörung des Klägers am 08.03.2001 im Kultusministerium wurde der Hauptpersonalrat zu der beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung angehört. Mit Schreiben vom 27.03.2001 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich. Nachdem der Kläger hiergegen am 18.04.2001 Kündigungsschutzklage erhob, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24.04., dem Kläger zugegangen am 26.04.2001 ordentlich und focht den Arbeitsvertrag ebenfalls mit Schreiben vom 24.04.2001 an. Kündigung und Anfechtungsschreiben gingen dem Kläger am 26.04.2001 zu.
Wegen der im ersten Rechtszug vorgebrachten weiteren tatsächlichen Behauptungen der Parteien, ihrer Rechtsansichten sowie der gestellten Anträge wird gem. § 69 ArbGG auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils vom 18.01.2002 (Bl. 135 – 138 d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben soweit sie sich gegen die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung richtet und sie im übrigen mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte habe den Arbeitsvertrag wirksam angefochten.
Gegen diese, seinem Prozessbevollmächtigten am 19.06.2002 zugestellte Entscheidung des Arbeitsgerichts, auf deren Gründe (Bl. 138 – 143 d. A.) ebenfalls Bezug genommen wird, hat der Kläger mit einem am 17.06.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel nach – rechtzeitig beantragter – Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.09.2002 mit einem am 17.09.2002 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Hierin macht der Kläger geltend, er leugne zwar nicht, sich zur Zusammenarbeit mit dem MfS im Zusammenhang mit dem Armeedienst verpflichtet zu haben. Das Arbeitsgericht habe aber nicht ausreichend berücksichtigt, dass er keinen einzigen schriftlichen Bericht geliefert und die Mehrzahl der in der Akte enthaltenen mündlichen Berichte nicht autorisiert habe, sondern sie bestreite. Er erkenne diese Berichte und deren Inhalt auch in keiner Weis...