Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung aufgrund eines behaupteten Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot wegen Schwerbehinderung im Rahmen der Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle
Leitsatz (redaktionell)
1. Der schwerbehinderte Stellenbewerber ist nicht verpflichtet, im Bewerbungsverfahren auf seine Schwerbehinderung hinzuweisen. Eine generelle Offenbarungspflicht im Hinblick auf eine bestehende Schwerbehinderung besteht nicht, es sei denn, der Bewerber vermag aufgrund seiner Behinderung die vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht zu leisten. 2. Im Verfahren um eine Entschädigung nach dem AGG hat grundsätzlich der schwerbehinderte Bewerber Indizien für den Kausalzusammenhang zwischen seiner Schwerbehinderung und der Benachteiligung vorzubringen. Von dem außenstehenden Bewerber kann für die von ihm nur vermutete Tatsache eines Verstoßes des Arbeitgebers gegen die Verfahrenspflichten nach dem § 164 SGB IX jedoch kein Vortrag zu greifbaren Anhaltspunkten verlangt werden.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2, § 22; SGB IX § 165
Verfahrensgang
ArbG Gera (Entscheidung vom 25.05.2023; Aktenzeichen 5 Ca 1315/22) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 25.05.2023 - Az. 5 Ca 1315/22 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Entschädigung in Höhe von mindestens 10.476,78 € aufgrund eines behaupteten Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot wegen seiner Schwerbehinderung.
Der mit einem GdB von 50 schwerbehinderte Kläger bewarb sich am 02.06.2022 auf eine von der Beklagten ausgeschriebene Stelle eines Bauingenieurs. Auf den Inhalt der Stellenausschreibung (Bl. 7 der Akte) wird Bezug genommen. Bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist gingen fünf Bewerbungen ein. Alle Bewerber hatten eine Ausbildung zum Ingenieur. Auch der Kläger erfüllt unbestritten die Qualifikationsanforderungen für die ausgeschriebene Stelle. In seinem Bewerbungsschreiben (Bl. 8 der Akte) wies der Kläger wie folgt auf seine Schwerbehinderung hin: "Ich bin schwerbehindert, eventuell könnte die Arbeitsagentur Gehaltszuschüsse erbringen." Drei Bewerber wurden zu Bewerbungsgesprächen eingeladen. Der Kläger erhielt keine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Im Ergebnis der Bewerbungsgespräche entschied sich die Beklagte für einen Kandidaten. Der Kläger erhielt mit E-Mail vom 11.08.2022 (Bl. 9 der Akte) eine Absage.
Bereits im Oktober 2021 hatte die Beklagte eine Stelle als Bauingenieur mit einer Bewerbungsfrist bis 15.10.2021 ausgeschrieben. Die Stellenausschreibung von Oktober 2021 (Bl. 51 der Akte) ist mit der aus Juni 2022 nahe identisch. Die Ausschreibungen unterscheiden sich lediglich in zwei Punkten: Im Oktober 2021 wurde die Stelle befristet ausgeschrieben, wohingegen es sich bei der im Juni 2022 ausgeschriebenen Stelle um eine unbefristete handelte. Zudem enthält die zweite Ausschreibung unter der Aufzählung der Aufgaben einen zusätzlichen Unterpunkt "Mitwirkung beim Aufbau von Datenbanken (GIS) im Bereich Trinkwasser/Abwasser/Fernwärme".
Mit Schreiben vom 14.10.2021 (Bl. 41 der Akte) hatte sich der Kläger seinerzeit bereits auf die befristete Stelle beworben, ohne darauf hinzuweisen, dass er schwerbehindert ist. Bis auf den Hinweis auf die Schwerbehinderung und die Höhe der Gehaltsvorstellung sind die Bewerbungsschreiben des Klägers (vgl. Bl. 8 und 41 der Akte) identisch. Infolge der Bewerbung des Klägers kam es am 03.11.2021 zu einem Vorstellungsgespräch. Im März 2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er keine Berücksichtigung gefunden habe. Die Stelle wurde in der Folge zunächst nicht besetzt, weil nach Einschätzung der Beklagten keiner der damaligen Bewerber in genügendem Maße über die geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.08.2022 (Bl. 10 der Akte) machte der Kläger gegenüber der Beklagten erfolglos einen Anspruch auf Entschädigung nach AGG wegen angeblicher Benachteiligung aufgrund seiner Schwerbehinderung in Höhe von 10.476,78 € geltend.
Mit seiner am 10.10.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger diesen Anspruch weiterverfolgt. Er hat hierzu erstinstanzlich angeführt, er habe im Bewerbungsverfahren eine weniger günstige Behandlung erfahren als der später eingestellte Bewerber, weil er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Die Beklagte habe weder einen Nachweis zur Erfüllung der Pflichtquote noch einen Nachweis zur Information des Betriebsrats vorgelegt. Da er - insoweit unbestritten - nicht objektiv ungeeignet für die ausgeschriebene Stelle sei, habe die Beklagte nicht schon anhand der Bewerbungsunterlagen einschätzen können, ob der Kläger für die Stelle geeignet sei. Die Verstöße der Beklagten gegen diverse Vorgaben des § 164 Abs. 1 SGB IX indiziere eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung. Keinesfalls habe er nur an versteckter Stelle auf seine Schwerbehinderung hingewiesen. Nach eigenem Vortrag habe die Beklagte d...