Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bei nur der äußeren Form nach erfolgtem Betriebsübergang. Darlegungs- und Beweislast für den Betriebsübergang im Rahmen einer Feststellungsklage der Arbeitnehmerin auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Betriebsübergeberin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Begehrt die Arbeitnehmerin die Feststellung, dass ihr mit der beklagten Betriebsübergeberin begründetes Arbeitsverhältnis fortbesteht, wird der allgemeine Grundsatz, dass, wer sich auf ein Rechtsverhältnis beruft, zu beweisen hat, dass dazu eine Berechtigung besteht, im Falle eines nur der Form nach erfolgten Betriebsübergangs im Sinne des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Umstand verdrängt, dass unstreitig einmal ein Arbeitsverhältnis zwischen der Arbeitnehmerin und der vermeintlichen Betriebsübergeberin begründet worden ist, und dass es somit die Beklagte ist, die sich darauf beruft, dass diese Beziehung infolge des Betriebsübergangs beendigt ist. Verbleibende Zweifel an dem tatsächlichen Vorliegen eines Betriebsübergangs gehen demnach nicht zu Lasten der klagenden Arbeitnehmerin.

2. Führt ein Vergleich des Geschäftsmodells der Arbeitgeberin mit der Arbeitnehmerüberlassung dazu, dass die Arbeitgeberin nicht nur die Beschäftigten eines anderen Unternehmens im Rahmen ihrer Produktionsmittel einsetzt sondern darüber hinaus auch die weiteren Produktionsfaktoren über vertragliche Bindungen in eine Außensteuerung überführt, womit sie im Ergebnis die - gemeinsam mit den Beschäftigten erwirtschafteten - Anlagegütern von den Mitarbeitenden trennt und so den Zugriff im Rahmen von Betriebsänderungen nach §§ 111, 112 BetrVG verhindert, kann diese Form der Zusammenarbeit mit den Zwecken des § 613a BGB kaum in Einklang gebracht werden.

3. Hat die Arbeitgeberin die Personalführung an ein Unternehmen übertragen, das in vielfacher Hinsicht rechtlich an sie gebunden ist, tritt der Umstand, dass dieses Unternehmen rechtlich selbständig ist und damit auch ein getrenntes Schicksal hat, zurück. Ein Betriebsübergang liegt unter diesen Umständen nicht vor.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Nordhausen (Entscheidung vom 15.09.2015; Aktenzeichen 1 Ca 810/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten zu 4) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 15.09.2015 - 1 Ca 810/14 - wird zurückgewiesen, allerdings mit der Klarstellung, dass im Hinblick auf den Antrag zu 3) festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten zu 4) und der Klägerin durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 28.7.2014 nicht beendet worden ist.

Die Berufung der Klägerin wird ebenfalls zurückgewiesen.

Hinsichtlich der Kosten der Berufung gilt: Die Beklagte zu 4) und die Klägerin haben die Gerichtskosten je zur Hälfte zu tragen.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1), die Beklagte zu 4) trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Die Gerichtskosten erster Instanz haben die Klägerin zu 25 %, die Beklagte zu 4) zu 75 % zu tragen.

Die Revision wird für die Beklagte zu 4) zugelassen.

 

Tatbestand

Nach mehrfacher Änderung des Rechtsschutzzieles in erster Instanz begehrt die Klägerin nunmehr vorrangig die Feststellung, in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 4) zu stehen. Weiter geht es um die Wirksamkeit einer von der Beklagten zu 1) ausgesprochenen, betriebsbedingten Kündigung.

Die Klägerin, Jahrgang 1964, verheiratet, einem Kind zum Unterhalt verpflichtet, war seit 1986 in dem Betrieb in .... tätig. Im Jahr 2002 wurde die Produktionsstätte von der Beklagten zu 4) übernommen, die in 2006 auf die heutige Rechtsform umgewandelt wurde.

Das Unternehmen unterhielt noch zwei weitere Betriebe, einen in ...., ......., den anderen in ..... Zwischen den Werken gab es eine Aufgabenteilung nach Produktfeldern. So wurden in ...... Fensterbänke und technische Formteile hergestellt. Die Spezialisierung hatte zur Folge, dass die technischen Anlagen entsprechend ausgerichtet waren.

Im Jahr 2008, gemeinhin als Jahr der Finanzkrise bezeichnet, gab es bei der Beklagten zu 4) Überlegungen, die Produktion im Inland neu zu organisieren. Nach Diskussionen in der Gesellschafterversammlung und im Beirat reifte der Plan, einer neu zu gründenden Gesellschaft die Produktion zu übertragen. Die hiermit verbundene Betriebsänderung mündete in ein betriebsverfassungsrechtliches Verfahren mit dem die drei Werke repräsentierenden Gesamtbetriebsrat. Am 28.10.2010 kam es zu einem Interessenausgleich, der im Wesentlichen den Bestand der betrieblichen Einheiten wie auch die betrieblichen Normen und Absprachen sicherte. In der Folge, im Dezember 2010 wurde die Beklagte zu 1) unter der Firma ....... gegründet und mit Kommanditanteilen von 100.000,00 EUR ausgestattet.

Im März 2011 schlossen die Beklagte zu 4) als Auftraggeberin und die Beklagte zu 1) als Auftragnehmerin einen Betriebsführungsvertrag, mit den Gegenständen einer Lohnfertigung (§§ 1 - 5, §§ 12 - 15) und der Geschäftsbesorgung (§§ 5...

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