Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrente. Betriebliche Übung
Leitsatz (amtlich)
Die Bewilligung und Fortzahlung einer betrieblichen Zusatzversorgung kann einen Anspruch aus betrieblicher Übung begründen.
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Erfurt (Urteil vom 25.02.2009; Aktenzeichen 5 Ca 2149/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 25.02.2009 – 5 Ca 2149/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Betriebsrente in Höhe von monatlich EUR 77,33 seit dem 1. Juni 2005.
Der 1938 geborene Kläger war ab 1957 bis zum Ablauf des Monats November 1998 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängern tätig. Mit dem 1.12.1998 trat er in den Rentenstand. Er bezog in der Folge von der Beklagten eine betriebliche Zusatzversorgung in Höhe von 151,24 DM (entspr. EUR 77,33). Insofern verlangte § 2 Abs. 4 TVV Energie, dass kein Anspruch auf eine andere Zusatzversorgung bestehen dürfe.
Der Kläger erfüllte in der Sache die Voraussetzungen für eine Zusatzversorgung nach dem AAÜG der DDR, allerdings bestand keine förmliche Zusage. Durch Entscheidungen des BSG aus dem Jahre 1998 wurde klargestellt, dass eine Teilhabe an den Zusatzversorgungssystemen z. B. für die technische Intelligenz nicht von einer solchen Zusage abhänge (Urteile vom 24.3.1998 und vom 30.6.1998 B 4 RA 27/97 und B 4 RA 11/98). Folgerichtig äußerte das BAG in einer nicht zu den tragenden Gründen zählenden Passage im Urteil vom 21.1.2003 – 3 AZR 35/02 –, dass eine Zusatzversorgung nach dem AAÜG im Hinblick auf § 2 Abs. 4 TVV Energie der Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung entgegenstehe. Diese Entscheidung wurde der Beklagten nach dem eigenen Vortrag im Juli 2003 bekannt. Gleichwohl zahlte die Beklagte in Kenntnis eines fehlenden Verpflichtungsgrundes die Betriebsrente bis zum Ablauf des Monats Mai 2005 weiter. Mit Schreiben vom 28. April 2005 wendete sich die Beklagte u. a. an den Kläger, und erklärte:
„Da wir auf der Grundlage der bestehenden Zuerkennungspraxis der Rentenversicherungsträger davon ausgehen, dass ihrem Antrag stattgegeben wird bzw. stattgegeben wurde, stellen wir mit Wirkung vom 31.5.2005 die Zahlung der Zusatzrente ein. Sollte unerwartet ihrem Rentenantrag nicht entsprochen werden, nehmen wir bei entsprechendem Nachweis von Ihnen selbstverständlich die Zahlung einschließlich anfallender Nachzahlungen wieder auf.” (Blatt 13 GA).
Einige Rentner, die über die Thüringer Gasversorgung und die TEAG zur Beklagten gelangten, erhielten Bezüge sogar bis November 2005.
Ebenfalls in Kenntnis der fehlenden Verpflichtung aus dem Tarifvertrag zahlte die Beklagte Mitarbeitern, die nach dem Urteil des BAG in Ruhestand getreten waren, Betriebsrenten, und zwar
- einem Herrn St. ab September 2003
- einer Frau I. ab Oktober 2003
- einer Frau G. ab Dezember 2003
- einem Herrn Bl. ab März 2004
- einem Herrn Br. ab April 2004
- einem Herrn H. ab April 2004.
Auch gegenüber diesen Rentnern wurde die Zusatzversorgung mit Ablauf des Mai 2005 eingestellt.
Der Kläger hat vorgetragen, Grundlage für einen weiteren Bezug der Versorgung sei eine unwiderrufliche Versorgungszusage, die durch die vorbehaltlose Weitergewährung ab 2003 bestätigt worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
- Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den 30.11.08 hinaus eine betriebliche Zusatzrente in Höhe von monatlich 77,33 EUR zu zahlen.
- Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.247,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils monatlich 77,33 EUR ab 01.07.05, 01.08.05, 01.09.05, 01.10.05, 01.11.05, 01.12.05, 01.01.06, 01.02.06, 01.03.06, 01.04.06, 01.05.06, 01.06.06, 01.07.06, 01.08.06, 01.09.06, 01.10.06, 01.11.06, 01.12.06, 01.01.07, 01.02.07, 01.03.07, 01.04.07, 01.05.07, 01.06.07, 01.07.07, 01.08.07, 01.09,07, 01.10.07, 01.11.07, 01.12.07, 01.01.08, 01.02.08, 01.03.08, 01.04.08, 01.05.08, 01.06.08, 01.07.08, 01.08.08, 01.09.08, 01.10.08, 01.11.08 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, eine Anspruchsgrundlage sei nicht erkennbar. Aus der Entwicklung der Rechtsprechung ergebe sich die mangelnde Ergiebigkeit der tariflichen Grundlage. Insbesondere sei nicht nach außen getreten, dass die Beklagte freiwillige Zahlungen leisten wolle. Ihr Verhalten nach Kenntnis der Entscheidung des BAG spätestens im Juli 2003 begründet die Beklagte damit, dass es ihr um eine Gleichbehandlung gegangen sei. Es gehe immerhin um etwa 200 Mitarbeiter mit einer Zusatzversorgung, deren Akten aus einer größeren Anzahl von Personalakten herauszufiltern gewesen sei. Einige der Unterlagen seien auf unleserlichen Thermokopien gespeichert. Der Arbeitsanfall und die Notwendigkeit, vertrauenswürdige Mitarbeiter einzusetzen hätten den Zeitbedarf bis zum Schreiben im April 2005 begründet.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 25. Februar 2009 – Az. 5 Ca 2149/08 – s...