Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzug des Drittschuldners bei Pfändung der Forderung. Verzugszinsen als objektiver Mindestschaden. Zinsberechnung aus Bruttobetrag. Wahrung der Ausschlussfrist für Verzugszinsen durch Erhebung einer Bestandsschutzklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Drittschuldner bleibt mit der Zahlung einer Abfindung in Verzug, auch wenn ein Pfändungsbeschluss auf die Abfindung vorliegt. Denn der Drittschuldner kann jederzeit eine Hinterlegung gem. § 372 BGB vornehmen und dadurch den Zahlungsanspruch des Gläubigers mit verzugsbeendigender Wirkung erfüllen.
2. Die Zinsverpflichtung aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB enthält eine gesetzliche Schadensfiktion. Ob dem Gläubiger tatsächlich ein Schaden entstanden ist oder nicht, ist gleichgültig. Der Verzugszins steht dem Gläubiger kraft Gesetzes als objektiver Mindestschaden zu.
3. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Arbeitnehmer Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB aus dem geschuldeten Bruttobetrag verlangen kann.
4. Tarifliche Ausschlussfristen werden durch die Erhebung einer Bestandsschutzklage nicht nur im Hinblick auf die Annahmeverzugsansprüche selbst, sondern auch im Hinblick auf die Zinsansprüche nach §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB gewahrt.
Normenkette
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1, § 372; MTV für die thüringischen Betriebe des Groß- und Außenhandels § 15 Nr. 2-3 Fassung : 1997-06-23
Verfahrensgang
ArbG Gera (Entscheidung vom 28.05.2020; Aktenzeichen 5 Ca 171/17) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 28.05.2020 - 5 Ca 171/17 - dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.000 € brutto seit dem 01.01.2017 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.
4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch um weitere Zinsansprüche des Klägers bezogen auf eine Abfindungszahlung für den Zeitraum ab 01.12.2016.
Der Kläger war vom 24.10.2002 bis 30.11.2016 aufgrund Arbeitsvertrages vom 22.10.2002 (Bl. 5 - 6 d. A.) als Lagerarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Nach Ziffer 9 des Arbeitsvertrags gelten "im übrigen [...] die Bestimmungen des jeweils für das Unternehmen gültigen Tarifvertrages".
§ 15 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrags für die thüringischen Betriebe des Groß- und Außenhandels vom 23.06.1997 (Bl. 74 ff d. A.) lautet auszugsweise:
§ 15
Fälligkeit und Erlöschen von Ansprüchen
1. ...
2. Der Anspruch nach Ziff. 1 sowie alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag sind binnen 3 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. ... Weitere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind spätestens 3 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich anzuzeigen.
3. Die Ansprüche nach Ziff. 1 und 2 erlöschen, wenn sie nicht innerhalb der darin festgesetzten Fristen schriftlich dem anderen Vertragspartner gegenüber erhoben wurden. ...
Am 27.10.2016 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag (Bl. 3 - 4), der auszugsweise folgendes bestimmt:
1. Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endet einvernehmlich zum 30.11.2016.
2. ...
3. Abfindung
Der Arbeitnehmer erhält für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 18.000 EUR brutto. Diese wird zum Ende des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt. Nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes anfallende Steuern trägt der Arbeitnehmer.
Die Abfindungszahlung ist zum Beendigungszeitpunkt fällig. ...
Mit Pfändungsbeschluss vom 10.11.2016 (Bl. 28 - 29 d. A.) pfändete die Staatsanwaltschaft Gera gegenüber der Beklagten sämtliche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines Abfindungsanspruchs bis zur Höhe von 78.000,00 €. Der Beklagten wurde verboten, an den Kläger zu leisten. Mit Beschluss vom 12.05.2020 (Bl. 97 d. A.) wurde dieser Pfändungsbeschluss wieder aufgehoben.
Mit seiner am 30.06.2017 beim Arbeitsgericht Gera eingegangenen und der Beklagten am 21.07.2017 zugestellten Klage hat der Kläger unter anderem Zahlung der vereinbarten Abfindung in Höhe von 18.000,00 € verlangt. Erstmalig mit Schriftsatz vom 11.05.2020 (Bl. 106 d. A.), der Beklagten am 28.05.2020 zugestellt, hat der Kläger diesen Antrag um ein Zinsbegehren in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 ergänzt und in der erstinstanzlichen Kammerverhandlung am 28.05.2020 klargestellt, dass sich sein Zinsbegehren auf den Nettobetrag bezieht.
Der Kläger hat - soweit für die Berufung von Interesse - erstinstanzlich zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Abfindung in Höhe von 18.000,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.12.2016 zu zahlen.
Die B...