Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Tarifmerkmals „Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit” als Anspruchsvoraussetzung für eine vom Unternehmenserfolg abhängigen Jahressonderzahlung
Leitsatz (redaktionell)
Wird im Tarifvertrag an das „Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit” angeknüpft, ist damit die Jahresabschlussprüfung und deren ausgewiesener Inhalt gemeint, nicht aber anschließende analysierende Darstellungen des Abschlussprüfers, mit denen er die Geschäftstätigkeit erläuternd unter bestimmten weiteren Blickwinkeln betriebswirtschaftlich beleuchtet.
Normenkette
HGB §§ 275 ff, 316 ff.
Verfahrensgang
ArbG Suhl (Urteil vom 08.10.2009; Aktenzeichen 5 Ca 2353/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 08.10.2009 – 5 Ca 2353/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine jährliche Einmalzahlung für die Jahre 2006 und 2007. Die Parteien streiten allein über die Auslegung des Tarifmerkmals „Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit”.
Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und bei der Beklagten seit 2000 als Operator beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen der Beklagten und der IG BCE vereinbarten Tarifverträge Anwendung. Unter anderem vereinbarten die Tarifpartner am 10.03.1998 einen Firmentarifvertrag, der nach seiner Kündigung am 03.01.2002 auf der Grundlage eines „Einigungsergebnisses zum Firmentarifvertrag” (EG-TV) erneut in Kraft gesetzt wurde. Dieses hat auszugsweise folgenden Inhalt:
Für alle Arbeitnehmer der EG 1 bis 5 werden zum 30. Juni 2002 als Einmalzahlung 8 (acht) % eines steuerpflichtigen Bruttomonatsverdienstes, errechnet auf der Basis der 40-Stunden-Woche, gezahlt.
Für die Zukunft erfolgt nach jedem Geschäftsjahr in dem ein positives Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erreicht wurde, eine Einmalzahlung von 8 (acht) %.
In voller Höhe anspruchsberechtigt sind alle Mitarbeiter
- die zum 1. Januar 2002 in die Firma eingetreten sind;
- deren Arbeitsverhältnis seitdem ununterbrochen besteht (bei späterem Eintritt wird der Anspruch anteilig errechnet);
- sofern der Mitarbeiter sich zum Stichtag 30. Juni des Kalenderjahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet. (…)
In einem Ergänzungstarifvertrag 05/2004 wurde „die vom Unternehmenserfolg abhängige Einmalzahlung für das Geschäftsjahr 2004” ausgesetzt. Sie sollte „bei positiven Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Geschäftsjahres 2005” wieder nach Abschluss des jeweiligen Geschäftsjahres gezahlt werden (Bl. 158-160 d.A.).
Die Beklagte erstellte in der Vergangenheit Rückstellungen und Sonderposten, die sie als „sonstige betrieblichen Aufwendungen” iSd § 275 Abs. 2 Nr. 8 HGB in ihre Gewinn- und Verlustrechnung des jeweiligen Jahresabschlusses aufnahm. Im Geschäftsjahr 2006 löste sie Sonderposten in einem Umfang von 719.901,09 Euro und im Geschäftsjahr 2007 in einem Umfang von 634.430,01 Euro auf. In ihren Jahresabschlüssen für die Geschäftsjahre 2006 und 2007 wies sie diese Beträge als „sonstige betriebliche Erträge” iSd § 275 Abs. 2 Nr. 4 HGB aus. Die Gewinn- und Verlustrechnung der Jahresabschlüsse weisen unter Berücksichtigung dieser Erträge ein positives „Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit” iSd § 275 Abs. 2 Nr. 14 HGB für das Geschäftsjahr 2006 von 134.732,70 Euro und für das Geschäftsjahr 2007 von 502.364,99 Euro aus. Insgesamt wurde 2006 ein Jahresüberschuss von 110.630,00 Euro und 2007 von 507.920,19 Euro erzielt.
Die Beklagte beauftragte die B. Aktiengesellschaft (B.) mit der Prüfung ihres Jahresabschlusses nach §§ 316 ff HGB. Die B. erteilte unter Berücksichtigung der testierten Jahresabschlussdaten des Prüfberichtes für das Geschäftsjahr 2006 und des von der Beklagten erstellten Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2007 am 19.03.2008 einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB. Sie stellt fest, dass der Jahrsabschluss (Anlage II des Prüfberichtes; Bl. 203-212 d.A.) „unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittelt”.
Im Übrigen verweist sie in der Anlage IV ihres Prüfberichtes auf ihre „analysierende Darstellung” der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Beklagten. Sie entwickelt hierzu anhand gerundeter Betriebsdaten u.a. eine eigene „wirtschaftliche Erfolgsrechnung”. Sie gelangt zu der Analyse, dass die Erhöhung des Jahresüberschusses durch die positive Entwicklung der Sondereinflüsse bedingt sei (Blatt 2; Bl. 218 d.A.). Zur Darstellung ihrer Analyse stellte sie die Sondereinflüsse im Unterschied zur Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten nach § 275 HGB (Anlage II Blatt 2) in ihrer „wirtschaftlichen Erfolgsrechnung” nicht in die Rechnungsposten „betrieblichen Erträge” bzw. „betriebliche Aufwendungen” ein. Sie errechnet hierdurch ein negatives „Ergebnis der gewöhnlic...