Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu den Bedingungen einer ortsansässigen Prozessvertretung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe ist bei der Beiordnung eines nicht bei dem Prozessgericht niedergelassenen bzw. kanzleiansässigen Rechtsanwalts stets zu prüfen, ob besondere Umstände für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts im Sinne des § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf der auswärtige Rechtsanwalt „zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts” beigeordnet werden (BGH vom 23.07.2004, NJW 2004, 2749).

2. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „besondere Umstände” im Sinne des § 121 Abs. 4 ZPO ist zu berücksichtigen, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen eine weitgehende Angleichung der Situation der mittellosen und der nicht bedürftigen Partei bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten ist. Die Hinzuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Verkehrsanwalts ist in der Regel zweckdienlich und jedenfalls dann erforderlich, wenn die Kosten des Verkehrsanwalts die Reisekosten des nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts nicht wesentlich übersteigen (BGH, a. a. O.).

3) Der Kostenvergleich führt in aller Regel zu dem Ergebnis, dass durch die Beiordnung eines im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts keine Mehrkosten im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO entstehen und die Beiordnung daher nicht auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts zu beschränken ist (Fortführung der Rechtsprechung des Thüringer Landesarbeitsgerichts, Beschluss vom 21.07.1997 – 8 Ta 100/97 – LAGE Nr. 4 zu § 121 ZPO).

 

Normenkette

ZPO § 121 Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

ArbG Jena (Beschluss vom 09.09.2003; Aktenzeichen 4 Ca 203/03)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts P. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Jena vom 09.09.2003 abgeändert, soweit die Beiordnung des Rechtsanwalts zu den Bedingungen einer ortsansässigen Prozessvertretung erfolgte.

Die Beiordnung des Rechtsanwalts P. erfolgt ohne Einschränkung mit der Maßgabe, dass die Kosten zu vergüten sind, die dadurch entstehen, dass sich die Kanzlei des Rechtsanwalts nicht am Sitz des Arbeitsgerichts Jena befindet.

 

Tatbestand

I.

Das Arbeitsgericht Jena hat dem Antragsteller/Kläger mit Beschluss vom 09.09.2003 Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt P. zu den Bedingungen einer ortsansässigen Prozessvertretung beigeordnet. Der Wohnort des Klägers und der Sitz der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten ist S. S. gehört zum Bezirk des Arbeitsgerichts Jena. Der Ort liegt ca. 40 km von Jena entfernt. Der beigeordnete Rechtsanwalt war nicht vorab gefragt worden, ob er mit seiner Beiordnung zu den eingeschränkten Bedingungen einverstanden ist.

Der Kläger wandte sich mit der Klage gegen die fristlose Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses vom 13.05.2003. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung befand sich der Kläger im 3. Ausbildungsjahr. Die Ausbildungsvergütung belief sich auf 620,00 DM bzw. 317,00 EUR monatlich. Das Verfahren endete nach außergerichtlicher Einigung durch Klagerücknahme.

Der beigeordnete Rechtsanwalt hat gegen den ihm am 15.09.2003 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts vom 09.09.2003 am 10.10.2003 Beschwerde eingelegt.

Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, die Beiziehung eines am Wohnort der Partei ortsansässigen Rechtsanwalts sei im Rahmen des § 91 ZPO stets eine der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienende Maßnahme, deren Mehrkosten gegenüber der Mandatierung eines am Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts immer erstattungsfähig seien. Der gleiche Rechtsgedanke müsse auch im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe Berücksichtigung finden.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde ist das gem. § 127 Abs. 2 ZPO i. V. mit § 78 ArbGG statthafte Rechtsmittel. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Der beschwerdeführende Rechtsanwalt ist beschwert (Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 127 Rnr. 19). Der Beschwerdewert des § 511 ZPO ist erreicht. Der Beschwerdeführer hat die Notfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO gewahrt.

Die Beschwerde ist begründet.

Die Beiordnung des Klägervertreters ist nicht auf die Bedingungen eines am Sitz des Arbeitsgerichts ortsansässigen Rechtsanwalts zu beschränken.

Das Beschwerdegericht schließt sich, wie bereits das Hessische Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 01.09.2004 (2 Ta 5/04, mitgeteilt bei jurisweb) der Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 23.06.2004 (NJW 2004, 2749) an.

Das Arbeitsgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung den nicht am Gerichtssitz ortsansässigen Beschwerdeführer nur zu den Bedingungen einer ortsansässigen Prozessvertretung beigeordnet. Die Entscheidung stützt sich auf § 121 Abs. 3 ZPO, der vorschreibt, dass ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwa...

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