Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr. Orientierung an Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung des Umfangs anwaltlicher Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der fiktiven Terminsgebühr kann der nicht vorhandene Terminsaufwand die Mindestgebühr nicht begründen.
2. Die fiktive Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG-VV hat sich an der Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit zu orientieren (vgl SG Berlin vom 10.9.2007 - S 48 SB 2223/05 = AGS 2008, 88), denn die voraussichtliche Dauer einer mündlichen Verhandlung lässt sich in den meisten Fällen nicht sicher vorhersagen (vgl SG Köln vom 2.11.2007 - S 6 AS 231/06 = AGS 2008, 236).
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 17. Juni 2010 aufgehoben und die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 316,54 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gotha streitig (Az.: S 37 AS 3327/07). Die von dem Beschwerdeführer vertretene Klägerin bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 14. November 2006 hatte die Beklagte, eine ARGE Grundsicherung für Arbeitssuchende, ihren Bescheid über die Gewährung von Leistungen für die Zeit vom 1. August bis 30. September 2006 teilweise aufgehoben und die Rückzahlung von 319,94 Euro verlangt, weil die Tochter der Klägerin in dieser Zeit nicht mehr der Bedarfsgemeinschaft angehöre.
Den Antrag auf Rücknahme des Bescheids nach § 44 den Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Juli 2007 ab und wies den von dem Beschwerdeführer erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2007 zurück. Am 23. August 2007 erhob dieser für die Klägerin Klage, begründete sie auf ca. einer halben Seite und beantragte die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH). Mit Bescheid vom 30. Oktober 2007 reduzierte die Beklagte ihre Forderung auf 49,87 Euro. Nachdem sich der Beschwerdeführer auf Anfrage des Gerichts mit zwei kurzen Schriftsätzen geäußert hatte, bewilligte das Sozialgericht der Klägerin mit Beschluss vom 6. März 2008 PKH und ordnete den Beschwerdeführer bei. Mit Gerichtsbescheid vom gleichen Tag wies es die Klage unter Bezugnahme auf die Bescheide der Beklagten ab; diese habe der Klägerin zwei Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Mit am 3. April 2008 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag begehrte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Gebühren:
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Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG |
170,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
200,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG |
20,00 Euro |
Zwischensumme |
390,00 Euro |
USt |
74,10 Euro |
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464,10 Euro |
Mit Verfügung vom 14. Juli 2008 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die aus der Staatskasse zu erstattende Gebühr auf 243,95 Euro fest. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei vergleichsweise unterdurchschnittlich und die Bedeutung der Sache für die Klägerin leicht unterdurchschnittlich gewesen. Daher sei es angemessen, die Gebühren auf jeweils die Hälfte der Mittelgebühren festzusetzen.
Mit der Erinnerung hat der Beschwerdeführer vorgetragen, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Gebührenreduzierung gerechtfertigt sei. Für die Klägerin habe angesichts ihrer finanziellen Verhältnisse keine unterdurchschnittliche Bedeutung vorgelegen.
Mit Beschluss vom 17. Juni 2010 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen und ausgeführt, tatsächlich habe der Beschwerdeführer angesichts der fehlenden Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage, der geringen Schwierigkeit und des geringen Aufwands nur Anspruch auf eine Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 40,00 Euro. Für die Terminsgebühr hätte angesichts des geringen Aufwands allenfalls die Mindestgebühr von 20,00 Euro angesetzt werden dürfen. Eine Abänderung der Kostenfestsetzung zum Nachteil des Beschwerdeführers komme nicht in Betracht.
Gegen den am 6. Juli 2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 8. Juli 2010 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, die Reduzierung der Gebühren sei für ihn nicht nachvollziehbar. Es habe sich um ein normales Hauptsacheverfahren gehandelt. Die Bedeutung sei für die Klägerin als durchschnittlich einzuschätzen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 17. Juni 2010 aufzuheben und die ihm aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 464,10 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft. Diese Vorschriften sind anwendbar, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. u.a. ...