Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei versäumter Beschwerdefrist gegen die gerichtliche Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung
Orientierungssatz
1. Hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei versäumter Beschwerdefrist von zwei Wochen gegen die gerichtliche Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG gehen die Vorschriften nach §§ 1 Abs. 3, 33 Abs. 5 RVG als spezialgesetzliche Regelungen den allgemeinen Bestimmungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in §§ 66, 67 SGG vor.
2. Die Wiedereinsetzung setzt fehlendes Verschulden hinsichtlich der Fristversäumnis voraus. Ein Fehlen des Verschuldens wird u. a. vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn der Beschwerdeführer die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht.
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 12. Juli 2016 (S 41 SF 328/15 E) und die Anschlussbeschwerde des Beschwerdegegners werden als unzulässig verworfen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das Berufungsverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht (≪LSG≫ L 7 AS 1298/13) streitig.
Die vom Beschwerdeführer vertretene Klägerin erhob am 29. April 2011 Klage (S 41 AS 1687/11) vor dem Sozialgericht Altenburg (SG). Sie begehrte unter Abänderung des Bescheides vom 25. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2011 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2010 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 43,67 € monatlich zu zahlen. Die Beklagte verweigere die Zahlung der kompletten Kosten der Unterkunft unter Hinweis auf ihre Richtlinie zu den Kosten der Unterkunft (KdU-Richtlinie), wonach nur 283,50 € zzgl. Heizkosten angemessen seien. Die KdU-Richtlinie der Beklagten entspreche nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts (BSG). Sie ließe kein schlüssiges Konzept erkennen. Mit Urteil vom 13. August 2012 verurteilte das SG die Beklagte, der Klägerin für die Monate Juli bis Dezember 2010 jeweils monatlich weitere 41,00 € als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen. Gegen die Nichtzulassung der Berufung erhob die Beklagte am 14. September 2012 Beschwerde beim LSG. Mit Beschluss vom 1. August 2013 ließ das LSG die Berufung zu. Das Beschwerdeverfahren werde als Berufungsverfahren fortgesetzt (L 7 AS 1298/13). Mit Beschluss vom 12. Mai 2014 bewilligte das LSG der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH).
Der Beschwerdeführer nahm zur Berufungsbegründung der Beklagten Stellung und führte aus, die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass ihre KdU-Richtlinie auf einem nachvollziehbaren Konzept beruhe. Sie habe auch die für eigene Feststellungen erforderliche Datengrundlage nicht zur Verfügung gestellt. Die Kosten für die Wohnung der Klägerin lägen mit Ausnahme der Baujahresklassen 1963 bis 1990 jeweils unter dem Mittelwert der Mietspiegelwerte. Mit weiterem Schriftsatz verwies er auf ein Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 3. September 2014, der um 11:20 Uhr begann, nahm die Beklagte die Berufung in diesem Verfahren und zwei weiteren Verfahren der Klägerin (L 7 AS 1296/13 und L 7 AS 1297/13) zurück. Gegenstand des Berufungsverfahrens L 7 AS 1296/13 war der Bewilligungszeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2010. Die dortigen Schriftsätze des Beschwerdeführers entsprachen inhaltlich den Schriftsätzen in den Verfahren L 7 AS 1297/13 und L 7 AS 1298/13. Dem Beschwerdeführer wurde antragsgemäß eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.044,90 € aus der Staatskasse erstattet.
In seiner Kostenrechnung vom 7. Oktober 2014 beantragte er die Festsetzung folgender Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren (L 7 AS 1298/13):
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Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG |
310,00 € |
Terminsgebühr Nr. 3205 VV RVG |
200,00 € |
Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG |
11,40 € |
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG |
6,66 € |
Pauschale für Post-und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
104,13 € |
abzüglich Vorschusszahlung vom 2. Juli 2014 |
-392,70 € |
Gesamtbetrag |
259,49 € |
Im Oktober 2014 veranlasste die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Auszahlung der beantragten Vergütung.
Hiergegen erhob der Beschwerdegegner Erinnerung und beantragte die Festsetzung der Vergütung auf 287,25 €. Die Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG sei lediglich in Höhe von ⅓ der Mittelgebühr (=103,33 €) angemessen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien als weit unterdurchschnittlich einzuschätzen. Der Beschwerdeführer habe drei kurze Schriftsätze verfasst; die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei angesichts der gängigen Probleme (Kosten der Unterku...