Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der fiktiven Terminsgebühr
Orientierungssatz
Bei der Bestimmung der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 S. 2 Nr. 3 VV RVG kommt es gemäß § 14 Abs. 1 und 3 RVG auf alle relevanten Umstände des Einzelfalls an. Nr. 3106 S 2 VV RVG enthält für Terminsgebühren eine gesetzliche Wertung, nach der der Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts in den Fällen der Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der Entscheidung ohne sie durch Gerichtsbescheid oder Annahme eines Anerkenntnisses als gleich fingiert wird. Damit misst der Gesetzgeber im Rahmen dieser Gebührenstelle dem tatsächlich unterschiedlichen Arbeitsaufwand beim Gerichtsbescheid keine Bedeutung bei und stellt ihn gleich. Hinsichtlich der Höhe orientiert sich die fiktive Terminsgebühr an der Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit. Damit ist regelmäßig die Mittelgebühr festzusetzen.
Tenor
Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. Dezember 2012 aufgehoben und die Gebühren des Beschwerdeführers auf 547,40 Euro festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Meiningen (S 21 AS 2858/11) streitig. Der Beschwerdeführer erhob dort am 8. Dezember 2011 Klage und beantragte, das beklagte Jobcenter zu verurteilen, der Klägerin entsprechend dem beiliegenden vorläufigen Bescheid vom 1. Juli 2011 Leistungen für den Zeitraum 1. September bis 31. Dezember 2011 (S 21 AS 2858/11) unter Berücksichtigung des Einkommens der minderjährigen Töchter zu zahlen. Am gleichen Tag hatte er bereits im Wege eines einstweiligen Verfahrens (S 21 AS 2857/11 ER) beantragt, die Beklagte zu verpflichten, vom 8. bis 31. Dezember 2011 entsprechende Leistungen zu zahlen. Mit Beschlüssen vom 13. Dezember 2011 (S 21 AS 2857/11 ER) und 17. Februar 2012 (S 21 AS 2858/11) bewilligte das Sozialgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe und ordnete den Beschwerdeführer bei. Mit Bescheid vom 6. Dezember 2011 berechnete die Beklagte die Nachzahlungen bis einschließlich Dezember 2011 in Höhe von insgesamt 3.142,69 Euro und zahlte den Betrag im Dezember 2011 aus. Nach weiterem Schriftverkehr, in dem der Beschwerdeführer von der Beklagten ein prozessuales Anerkenntnis und eine Erledigungsgebühr forderte, erklärte er die Klage S 21 AS 2858/11 für erledigt. Mit Beschluss vom 22. Mai 2012 entschied das Sozialgericht, dass die Beklagte der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten habe.
In seiner Kostenrechnung vom 21. Mai 2012 beantragte der Beschwerdeführer für das Verfahren S 21 AS 2858/11 die Festsetzung folgender Gebühren aus der Staatskasse:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG |
240,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
200,00 Euro |
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG |
190,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 Euro |
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650,00 Euro |
MWSt |
123,50 Euro |
Gesamtvergütung |
773,50 Euro |
Unter dem 30. Mai 2012 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 547,40 Euro fest und führte aus, eine Erledigungsgebühr komme nicht in Betracht, denn sie setze über die Klagebegründung hinaus qualifizierte Aktivitäten des Rechtsanwalts voraus, die nicht ersichtlich seien. Die Beklagte habe im Vorfeld der Klage durch Zahlung entsprochen und damit ein Anerkenntnis abgegeben. Dies müsse nicht vor einer mündlichen Verhandlung erfolgen. Es stehe dem Beschwerdeführer frei, ob er die Annahme im Vorfeld schriftlich oder erst im Termin erkläre.
Gegen die Anforderung dieses Betrags hat die Beklagte am 15. August 2012 mit der Begründung Erinnerung eingelegt, es seien Synergieeffekte durch das Verfahren S 21 AS 2857/11 ER zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr sei ein Drittel und hinsichtlich der Terminsgebühr ein Viertel der Mittelgebühr angemessen. Die volle Mittelgebühr der Nr. 3106 VV-RVG widersprächen dem Gleichheitsgrundsatz.
Am 5. März 2013 hat der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt und die Festsetzung der Gebühren auf 291,55 Euro beantragt. Zwar erscheine die anwaltliche Tätigkeit hinsichtlich des Umfangs und der Schwierigkeit durchschnittlich. Die Synergieeffekte durch das Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz rechtfertigten jedoch die Kürzung der Gebühren Nr. 3102 und 3106 VV-RVG auf die Hälfte der Mittelgebühren.
Mit Beschluss vom 2. April 2013 hat das Sozialgericht die aus der Landeskasse zu gewährende Vergütung auf 291,55 Euro festgesetzt. Bei der Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG (Blatt 11: Nr. 3103 VV-RVG) sei die hälftige Mittelgebühr anzusetzen. Zwar sei die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin leicht überdurchschnittlich gewesen; eine durchschnittliche Bedeutung scheide allerdings mangels Bezifferung des Anspruchs aus. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Eine fiktive Terminsgebühr Nr. 3106 S. 2 Nr. 2 VV-RVG komme ebenfalls nur in Höhe der halben Mittelgebühr in Betracht. Entspre...