Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Berufungszulassung. Verfahrensmangel. mündliche Verhandlung. unterbliebene Darstellung des Sachverhalts durch den Vorsitzenden. Rügeverlust
Leitsatz (amtlich)
Der unterbliebene Sachvortrag des Sachverhalts durch den Vorsitzenden ist ein Verfahrensfehler im Sinne des § 144 Abs 2 Nr 3 SGG. Er kann nach § 202 SGG iVm § 295 ZPO von einem Beteiligten nicht gerügt werden, wenn er auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht rügt, obgleich er erschienen und der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste (vgl BSG vom 29.7.1967 - 4 RJ 197/65 = SozR Nr 6 zu § 112 SGG; BVerwG vom 18.4.1983 - 9 B 2337/80 = NJW 1984, 251; BFH vom 2.2.2004 - VIII B 59/03).
Tenor
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 22. März 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 24,85 Euro festgesetzt.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 24,85 Euro hat.
Der Kläger ist Apotheker und gab an die 2004 geborene Versicherte F. F. einen Pari Junior Boy N und zusätzlich eine Säuglingsmaske ab. Dem lag eine Verordnung der Gemeinschaftspraxis Dr. T., G. und Dr. D. vom 1. April 2005 mit folgendem Wortlaut zu Grunde:
"1Pariboy junior mit Zubehör
+ zusätzlich Säuglingsmaske
Dg: obstr. Bronchitis"
Der Kläger stellte der Beklagten 172,53 Euro (147,28 Euro und 24,85 Euro) in Rechnung, die diese zunächst zahlte. Der Betrag von 147,28 Euro entspricht dem nach Teil 4 des zwischen den damaligen Spitzenverbänden der Angestellten- und Ersatzkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. geschlossenen Hilfsmittellieferungsvertrag (im Folgenden: HLV) abzurechnenden Betrag für das Produkt Pari Junior Boy N PZN 2102199. Den Betrag in Höhe von 24,85 berechnete der Kläger für die zusätzlich abgegebene Säuglingsmaske PZN 4961682.
Im März 2006 beanstandete die Beklagte insgesamt einen Betrag in Höhe von 50,08 Euro und kündigte eine entsprechende Retaxierung an. Der Kläger erhob gegen die Forderung der Beklagten insoweit Einspruch, als eine Retaxierung in Höhe von 24,85 Euro erfolgen sollte. Aus dem Rezept sei nicht hervorgegangen, dass es sich um eine Folgeverordnung handele. Er sei auch nicht verpflichtet, ein Rezept daraufhin zu prüfen oder zu prüfen, ob ein Zubehörset wodurch auch immer unbrauchbar geworden sei. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass bei Abgabe eines Pari Junior Boy zum Selbstbehalt bereits das Zubehörset Pari LC Plus Junior Package enthalten sei. Das genannte Set bestehe aus LC Plus Vernebler, Baby Winkel sowie einer Babymaske Größe zwei, wobei diese Maske für Kinder von ein bis drei Jahren vorgesehen sei. Eine Mehrfachabrechnung von Zubehör könne auf Grund des in § 12 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) rechtsverbindlich geregelten Wirtschaftlichkeitsgebots nicht anerkannt werden. Das Wort "Zubehör" sei keine ordnungsgemäße Verordnung nach Art und Menge. Im Juli 2006 verrechnete die Beklagte u.a. den Betrag in Höhe von 24,85 Euro mit unstreitigen Forderungen des Klägers.
Im Klageverfahren hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 24,85 Euro verlangt und vorgetragen, er habe nur geliefert und berechnet was die Ärztin verschrieben habe. Hätte diese lediglich 1 Pari Junior Boy N verschrieben, hätte er dazu eine Babymaske mitliefern müssen, die neben dem eigentlichen Inhalationsgerät und weiteren Teilen, zum Lieferumfang gehörte. Durch die Zusätze "mit Zubehör" und "+ zusätzlich Säuglingsmaske" habe die Ärztin deutlich gemacht, dass dem Inhalationsgerät eine zweite Babymaske mitgegeben werden sollte. Es habe ihm als Apotheker nicht zugestanden, die Therapie des Arztes zu korrigieren. Die Beklagte hat dagegen eingewandt, aus § 5 Abs. 3 HLV ergebe sich, dass die Auswahl des abzugebenden Hilfsmittels nach Maßgabe der Versorgung so zu erfolgen habe, dass die Leistung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei sowie das Maß des Notwendigen nicht überschreite. Die Abgabe einer zusätzlichen Babymaske zu dem Inhalationsgerät sei nicht notwendig und somit unwirtschaftlich gewesen.
An der mündlichen Verhandlung am 22. März 2010 hat ausweislich der Niederschrift von den Beteiligten nur der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilgenommen. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 24,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2006 zu zahlen. Mit Urteil vom 22. März 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, ausweislich der Produktübersicht seien bei dem verordneten Inhalationsgerät Pariboy junior mit Zubehör bereits eine Babym...