Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenvorstellung. Wiederaufnahme. Anhörungsrüge

 

Leitsatz (redaktionell)

Gegenvorstellungen sind seit 1. Januar 2005 nicht statthaft und entsprechend § 178a Abs. 4 Satz 1 SGG zu verwerfen. Neben § 178a SGG kommt die Gegenvorstellung grundsätzlich nicht in Betracht.

Eine sinngemäße Auslegung des Begehrens als Anhörungsrüge scheidet ebenso aus wie eine erweiternde Anwendung des § 178a SGG auf Fälle einer „greifbaren Gesetzeswidrigkeit”.

 

Normenkette

SGG § 178a; ZPO § 321a; VwGO § 152a; FGO § 133a

 

Tenor

Die Gegenvorstellung des Klägers wird als unzulässig verworfen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des mit Urteil des 3. Senats des Thüringer Landessozialgerichts (Az.: L 3 KR 10/97) vom 28. Februar 2002 abgeschlossenen Berufungsverfahrens. Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 17. Oktober 2003 verworfen (Az.: B 1 KR 30/02 B).

Am 28. Juni 2004 hat der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt und dies damit begründet, dass ein anderes Verfahren gegen die AOK – Die Gesundheitskasse in Thüringen, in dem es ebenfalls um die Erstattung von Materialkosten für Zahnkronen gegangen war, nach Aufhebung des Urteils vom 28. Februar 2002 (Az.: L 3 KR 311/97) und Zurückverweisung (Beschluss des Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 2003 – Az.: B 1 KR 5/03 B) durch Vergleich (Zahlung von 50,00 € ohne Anerkennung eines Anspruchs an die Kassenzahnärztliche Vereinigung Thüringen) beendet wurde (Az.: L 6 KR 70/04 ZVW).

Mit Beschluss vom 10. Januar 2005 hat der erkennende Senat den Antrag auf Bewilligung von PKH mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Dieser ist dem Kläger am 12. Januar 2005 zugestellt worden. Dagegen hat er am 13. Februar 2005 “Gegenvorstellung betreffs PKH” erhoben und u.a. ausgeführt, mit der Aufhebung des Urteils vom 28. Februar 2002 (Az.: L 3 KR 311/97) durch Beschluss des Bundessozialgerichts am 16. Dezember 2003 sei auch die wesentliche Grundlage für das Urteil im Verfahren gegen die Beklagte weggefallen. Beide Verfahren beruhten als “Erst- und Zweitbehandlung” aufeinander.

Mit Verfügung vom 16. Februar 2005 hat der Senatsvorsitzende den Kläger darauf hingewiesen, dass mit Einführung des § 178a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum 1. Januar 2005 kein Raum mehr für Gegenvorstellungen sei. Die Zwei-Wochen-Frist des § 178a SGG sei – sofern der Kläger eine entsprechende Beschwerde überhaupt erheben wollte – verstrichen. Daraufhin hat der Kläger vorgetragen, Zwischenentscheidungen würden vom Anhörungsgesetz nicht erfasst. Gegen PKH-Entscheidungen ohne materielle Rechtskraft seien Gegenvorstellungen weiterhin zulässig und allgemein anerkannt.

Die Beklagte hat sich zu dem Antrag des Klägers nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II.

Nachdem der Kläger auf ausdrückliche Anfrage des Senats mitgeteilt hat, das Anhörungsrügengesetz sei für seinen Fall nicht einschlägig, weil dieses “sonstige Fehler”, z.B. in der tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilung nicht umfasse, gegen PKH-Beschlüsse aber “zweifellos” die Gegenvorstellung zulässig sei, hat er ausreichend klargestellt, dass sich sein Begehren ausschließlich auf diesen Rechtsbehelf beschränkt. Eine sinngemäße Auslegung seines Schriftsatzes als Anhörungsrüge scheidet ebenso aus wie eine erweiternde Anwendung des § 178a SGG auf Fälle einer “greifbaren Gesetzeswidrigkeit” (vgl. VGH Baden-Württemberg vom 2. Februar 2005 – Az.: 3 S 83/05, nach juris).

Gegenvorstellungen sind seit 1. Januar 2005 nicht statthaft und entsprechend § 178a Abs. 4 Satz 1 SGG zu verwerfen (so auch VGH Baden-Württemberg vom 2. Februar 2005, a.a.O.).

Bis zu diesem Zeitpunkt waren sie als außergesetzlicher Rechtsbehelf allgemein anerkannt (vgl. u.a. Gummer in Zöller, Zivilprozessordnung, 22. Auflage 2002, § 567 Rdnr. 22 ff., Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 7. Auflage 2002, Vor § 143 Rdnr. 16 ff.; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Auflage 2003, Vorb § 124 Rdnr. 9 ff.). Mit der Gegenvorstellung sollte ein Gericht veranlasst werden, seine eigene durch die Parteien nicht mehr anfechtbare Entscheidung von Amts wegen im Wege der Selbstkontrolle zu überprüfen und gegebenenfalls abzuändern. Damit sollte verhindert werden, dass die Unanfechtbarkeit zu grobem prozessualen Unrecht führte (vgl. Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ vom 12. Januar 1983 – Az.: 2 BvR 964/82 in: BVerfGE 63, 77, 78). Möglich war die Änderung eines Beschlusses auf eine Gegenvorstellung nur dann, wenn dieser in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz stand, insbesondere gegen Grundrechte verstieß (vor allem gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs) und andernfalls nur im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden konnte (vgl. BVerfG vom 12. Januar 1983, a.a.O.).

Zum 1. Januar 2005 ist das Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGbl. I S 3220, 3224) in Kraft getreten...

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