Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedarfsgemeinschaft. Einkommen. Zuschläge für Nachtarbeit. Sonntagszuschläge. Feiertagszuschläge. Zweckbestimmte Einnahmen. Zweitwohnung. Doppelte Haushaltsführung. Werbungskosten. Fahrtkosten. Nachweis höherer Kosten
Leitsatz (redaktionell)
1. § 9 Abs.2 S. 3 SGB II ist nicht verfassungswidrig.
2. Nicht nur steuerfreie Zuschläge für Nachtarbeit, sondern auch Sonn- und Feiertagszuschläge gehören zu den nach § 3b EStG nicht steuerpflichtigen Aufwandsentschädigungen und sind damit als zweckbestimmte Einnahmen nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
3. Für den Nachweis von höheren Fahrtkosten als 0,06 EUR pro Kilometer im Rahmen der Werbungskosten nach § 3 Nr. 3a) bb) Alg II-VO genügt nicht eine abweichende Berechnung nach steuerlichem Maßstab (hier: 0,30 EUR pro Kilometer einfacher Strecke), da keine tatsächliche, sondern eine rechtliche Würdigung zu dem Unterschied führt.
4. Die Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII ist mangels vergleichbarer Interessenlage und ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage nicht analog auf die Werbungskosten im Rahmen des § 3 Alg II-VO anzuwenden.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 1, 3, § 9 Abs. 2 S. 3, § 11 Abs. 3 Nr. 1a; Alg II-VO § 3
Verfahrensgang
SG Gotha (Beschluss vom 12.01.2005; Aktenzeichen S 22 AS 8/05 ER) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 12. Januar 2005 insoweit abgeändert, als die Antragsgegnerin monatlich im Voraus 470,64 Euro ab dem 1. Januar 2005 für sechs Monate zu zahlen hat.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller begehren im Wege einer einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Bei den Antragstellern handelt es sich um die Eheleute M…. (nachfolgend Antragsteller zu 1 genannt) und H…. K…. (nachfolgend Antragstellerin zu 2 genannt) sowie den Sohn der Antragstellerin zu 2 S…. (geb. 20. Dezember 1988), die Tochter des Antragstellers zu 1 Ch.… (geb. 16. Februar 1990) und den Sohn des Antragstellers zu 1 Chr…. (geb. 2. September 1992) K…. Die Antragsteller leben in einem gemeinsamen Haushalt. Der Antragsteller zu 1 ist in F…. erwerbstätig und hat dort einen Zweitwohnsitz.
Die Antragstellerin zu 2 bezog bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe. Unter dem 2. November 2004 beantragte sie Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2004 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Nach dem als Anlage zu diesem Bescheid beigelegten Berechnungsbogen wurde der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft mit 1.871,32 Euro festgestellt. Dieser setzte sich aus Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für erwerbsfähige Hilfebedürftige in Höhe von 861,00 Euro, Sozialgeld für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige in Höhe von 464,00 Euro und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 546,32 Euro zusammen. Das monatliche Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft wurde mit 2.039,31 Euro angesetzt (Kindergeld und bereinigtes Erwerbseinkommen des Antragstellers zu 1). Bei dem bereinigten Erwerbseinkommen berücksichtigte die Antragsgegnerin, ausgehend von einem Bruttogehalt von 2.780,21 Euro, unter anderem einen Betrag in Höhe von 159,78 Euro als Werbungskosten für eine doppelte Haushaltsführung. Bei diesem Betrag handelt es sich um 20 v. H. der von der Antragstellerin zu 2 geltend gemachten Werbungskosten für eine doppelte Haushaltsführung des Antragstellers zu 1 und zwar für vier Heimfahrten im Monat von E…. nach F…. (4 × 276 km × 0,30 Euro = 331,12 Euro), die Miete für die in F…. notwendige Zweitwohnung (in Höhe von 271,19 Euro), die Fahrtkosten für den Weg von der Zweitwohnung zur Arbeitsstelle an 22 Arbeitstagen im Monat (22 × 26 km × 0,30 Euro = 171,60 Euro) sowie die Reinigungskosten für die Arbeitskleidung (25 Euro), insgesamt 789,91 Euro (davon 20 v. H. ergeben 159,78 Euro).
Unter dem 17. Dezember 2004 legte die Anspruchsstellerin hiergegen Widerspruch ein. Als Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft sei ein Betrag von 1.871,32 Euro errechnet worden. Als Gesamteinkommen sei ein Betrag von 2.039,81 zugrunde gelegt worden. Ziehe man hiervon Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 789,91 Euro ab, ergebe sich eine Differenz zwischen dem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft und dem monatlichen Einkommen in Höhe von 470,64 Euro. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2005 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück.
Am 27. Dezember 2004 hat die Antragstellerin zu 2 beim Sozialgericht Gotha sinngemäß beantragt, im Wege einer einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten unter Anrechnung der vollen Kosten der doppelten Haushaltsführung des Antragstellers zu 1 Leistungen nach dem SGB II zu zahlen.
Mit Beschluss vom 12. Januar 2005, zugestellt am 28. Januar 2005, hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin dazu verpflichtet, im Wege der einstweiligen Anordnung zur Sicher...