Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Gegenstand des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens nach § 56 RVG. Höhe der Verfahrensgebühr. Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Synergieeffekt. Bedeutung der Angelegenheit. Arbeitslosengeld II. Erledigungsgebühr. Teilanerkenntnis
Leitsatz (amtlich)
Gegenstand des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens nach § 56 RVG ist die gesamte Kostenfestsetzung, nicht nur die einzelne Gebühr, gegen deren Versagung sich die Erinnerung bzw. die Beschwerde richtet (vgl LSG Erfurt, Beschluss vom 15.4.2015 - L 6 SF 331/15 B = RVGreport 2015, 302; aA LSG München, Beschluss vom 8.1.2013 - L 15 SF 232/12 B E). Eine Anerkennung einzelner Gebühren durch Nichtangreifen der Gebührenhöhe kommt nicht in Betracht.
Normenkette
RVG § 3 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 1, § 45 Abs. 1, § 56; VV-RVG Nrn. 1005-1006, 3103; SGG § 183
Tenor
Auf die Beschwerde wird die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 30 AS 6262/11 auf 418, 61 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwalts-vergütung für ein Verfahren beim Sozialgericht Nordhausen der von dem Beschwerdeführer vertretenen Kläger (S 30 AS 6262/11). Sie hatten sich gegen einen Bescheid vom 30. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juli 2011 gewandt, in dem ihnen für den Zeitraum 1. Mai bis 31. Oktober 2008 auf ihre Überprüfungsanträge nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) höhere Leistungen gewährt worden waren; die Kosten des Widerspruchsverfahrens wurden zu ½ erstattet. Begründet wurde die Klage mit der Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht, einer fehlerhaften Berechnung der Heizkosten und der Missachtung der Rundungsregel. Weiter wurde eine Erhöhung der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren begehrt. Mit Beschluss vom 26. März 2012 bewilligte das Sozialgericht den Klägern Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete den Beschwerdeführer bei. Die Kammer verhandelte das Verfahren am 25. September 2012 nach der Niederschrift von 12:05 Uhr bis 12:30 Uhr. Nach entsprechenden Hinweisen der Kammervorsitzenden zu Rechtslage erklärte sich die Beklagte bereit, für den streitgegenständlichen Leistungszeitraum weitere 4,95 Euro an die Kläger ohne Neuverbescheidung auszuzahlen. Der Beschwerdeführer erklärte daraufhin die Annahme des “Anerkenntnisses„ und erklärte den Rechtsstreit für erledigt. Den Kostenantrag halte sie aufrecht. Mit Beschluss vom 12. November 2012 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte zur Erstattung von ¼ der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens.
In seiner Kostenrechnung vom 16. Januar 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Vergütung aus der Staatskasse:
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Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
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170,00 Euro |
Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV-RVG |
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51,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
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200,00 Euro |
Erledigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG |
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190,00 Euro |
Fahrtkosten, Abwesenheitsgeld |
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4,18 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
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20,00 Euro |
Zwischensumme |
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635,18 Euro |
Umsatzsteuer |
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120,68 Euro |
Gesamtbetrag |
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755,86 Euro |
Nach Einholung einer Stellungnahme der Beklagten, setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) mit “Kostenfestsetzungsbeschluss„ vom 12. September 2013 hiervon 119,00 Euro ab und führte aus, angemessen sei die Terminsgebühr nur in Höhe der halben Mittelgebühr.
Dagegen hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt und vorgetragen, die Ansicht der UdG zur Kürzung der Terminsgebühr könne nicht geteilt werden. Nach der Rechtsprechung des Thüringer Landessozialgerichts sei bei einer Verhandlungsdauer von 30 Minuten von einer zumindest durchschnittlichen Angelegenheit auszugehen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners habe er sich besonders um die Erledigung bemüht. Es werde auf den Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 24. November 2010 - L 6 SF 653/10 B verwiesen. Der Beschwerdegegner hat beantragt, die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 411,39 Euro festzusetzen und ausgeführt, eine Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG komme nicht in Betracht, weil eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung an der Erledigung des Rechtsstreits nicht ersichtlich sei.
Mit Beschluss vom 7. September 2015 hat das Sozialgericht die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 410,76 Euro festgesetzt und die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Die Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG sei in Höhe der halben Mittelgebühr angemessen. Die Terminsdauer von 25 Minuten sei nach dem Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 22. November 2013 - L 6 SF 1313/13 B unterdurchschnittlich. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei gering gewesen. Nach der Niederschrift habe die Kammervorsitzende die dezidierte Berechnung der einzelnen Leistungsansprüche vorgenommen und rechtliche Hinwe...