Entscheidungsstichwort (Thema)

Erinnerung gegen einen Kostenvorschuss bei beantragter Prozesskostenhilfe

 

Orientierungssatz

1. Es widerspricht erheblich der gerichtlichen Fürsorgepflicht, über eine Erinnerung gegen einen Gerichtskostenvorschuss in einem Verfahren des Kassenarztrechts zu entscheiden, ohne zuvor über den vorliegenden PKH-Antrag zu entscheiden. Diese Verfahrensweise verstößt gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.

2. Ein solches Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel. Das Beschwerdegericht kann deshalb den Rechtsstreit in entsprechender Anwendung von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG an das Sozialgericht zur erneuten Entscheidung zurückverweisen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 15. November 2006 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

 

Gründe

I.

Am 8. November 2004 erhob der Beschwerdeführer Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Thüringen vom 20. Oktober 2004 (Az.: S 7 KA 3204//04). Unter dem 22. November 2004 forderte ihn die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 726,00 Euro nach § 197a SGG auf; dabei legte sie einen Streitwert von 15.253,49 Euro zugrunde. Das Finanzamt Erfurt mahnte unter dem 3. Februar 2005 die Zahlung der Gerichtskosten an. Am 26. Februar 2005 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH). Am 2. Mai 2005 unternahm das Finanzamt einen fruchtlosen Pfändungsversuch.

Der Beschwerdeführer hat sich am 9. Mai 2005 an den Vorsitzenden der 7. Kammer des Sozialgerichts Gotha gewandt und um Überprüfung der Kostenfestsetzung gebeten. Mit Schriftsatz vom 2. August 2005 hat der Beschwerdegegner darauf hingewiesen, dass eine Beitreibung der Kosten vor einer abschließenden Entscheidung über die beantragte PKH verfrüht sei; eine weitergehende Stellungnahme sei nicht möglich. Unter dem 12. Juli 2006 hat der Kammervorsitzende dem Beschwerdeführer mitgeteilt, der Vorschuss dürfe erst nach einer Entscheidung über die PKH angefordert werden; er gehe davon aus, dass sich damit sein Anliegen erledigt habe. Dem hat der Beschwerdeführer am 28. Juli 2006 widersprochen.

Mit Beschluss vom 15. November 2006 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen und ausgeführt, nachdem nach Mitteilung des Beschwerdegegners die PKH-Entscheidung abgewartet werden solle, dürfte sich das Anliegen des Beschwerdeführers erledigt haben. Im Übrigen sei die Kostenfestsetzung rechnerisch zutreffend ermittelt.

Gegen den Beschluss hat der Beschwerdeführer am 28. November 2006 Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, er sei aufgrund seines Gesundheitszustandes “verhandlungsunfähig„, Deshalb habe das Amtsgericht Jena für ihn in einem Verfahren einen Vertreter von Amts wegen nach § 15 SGB X bestellt.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 15. November 2006 und die Festsetzung vom 22. November 2004 aufzuheben.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Nach seiner Ansicht ist der Kostenansatz des Sozialgerichts korrekt.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 12. Dezember 2006) und sie dem erkennenden Senat vorgelegt. Mit Beschluss vom 23. Januar 2007 hat es den Antrag auf Gewährung von PKH mit der Begründung abgelehnt, eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe nach vorläufiger Einschätzung nicht. Am 8. Februar 2007 hat der Beschwerdeführer beim Thüringer Landessozialgericht Beschwerde gegen die PKH-Ablehnung (Az.: L 4 B 41/07 KA) eingelegt.

Der Senatsvorsitzende hat nach Beiziehung der Unterlagen des Amtsgerichts Jena (Az.: 3 XVII 676/04) mit Beschluss vom 10. Mai 2007 Rechtsanwalt K. als besonderen Vertreter für den Beschwerdeführer bestellt und das Verfahren mit Beschluss vom 9. Juli 2007 wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen.

II.

Der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 15. November 2006 wird aufgehoben und der Rechtsstreit in entsprechender Anwendung des § 159 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an das Sozialgericht zurückverwiesen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. November 2006 - Az.: L 18 B 1037/06 AS ER, nach juris), weil das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Die Verfahrensweise der Vorinstanz verstößt gegen den aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip hergeleiteten Grundsatz des fairen Verfahrens (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, Vor § 60 Rdnr. 1b).

Es widerspricht erheblich der gerichtlichen Fürsorgepflicht, über eine Erinnerung gegen einen Kostenvorschuss zu entscheiden, ohne zuvor über den vorliegenden PKH-Antrag zu entscheiden. Damit wird die Rechtsverfolgung des Klägers unzumutbar erschwert. Der Senat hat bereits entschieden, dass über eine Erinnerung gegen eine Kostenrechnung immer erst nach der endgültigen Entscheidu...

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