Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit. Beschwerde gegen ablehnenden PKH-Beschluss. unbezifferter Sachantrag im Höhenstreit. Schätzung der Rechtsmittelbeschwer gemäß § 202 SGG iVm § 3 ZPO. Nichtberücksichtigung der späteren Korrektur des Beschwerdeführers. sachwidrige Erweiterung des Leistungsbegehrens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschwerde gegen einen ablehnenden PKH-Beschluss ist auch in einem Hauptsacheverfahren nur statthaft, wenn ohne Zulassung in der Hauptsache die Berufung statthaft wäre (ausführlich: LSG Erfurt vom 7.12. 2011 - L 4 AS 1878/11 B, unveröffentlicht). Das gilt trotz der Änderung des § 172 Abs 3 Nr 1 SGG ab 11.8.2010.

2. Darf im Höhenstreit mit unbeziffertem Sachantrag eine Verurteilung nur dem Grunde nach erwirkt werden, ist der Wert der Rechtsmittelbeschwer gemäß § 202 SGG iVm § 3 ZPO zu schätzen. Dabei ist auf ungefähre Angaben des Beschwerdeführers zumindest abzustellen, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Bezifferung mutmaßlich falsch ist.

3. Eine spätere Korrektur der Angabe des Beschwerdeführers kann als sachwidrige Erweiterung des Leistungsbegehrens unberücksichtigt bleiben, wenn sie erkennbar darauf gerichtet ist, die Statthaftigkeit der Beschwer herbeizuführen ohne ansonsten von sachlichen Erwägungen getragen zu sein.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 6. März 2012 wird als unzulässig verworfen.

Kosten der Beschwerde sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die am 12. April 2012 bei dem Thüringer Landessozialgericht eingelegte Beschwerde der Klägerin gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 6. März 2012 erlaubt keine Entscheidung in der Sache, weil sie bereits unzulässig ist.

Die Beschwerde ist gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 S. 2 2. Hs. ZPO nicht statthaft. Statthaft wäre sie nur, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache mit einem statthaften Rechtsmittel anzufechten wäre (vgl. hierzu ausführlich: Hessisches Landessozialgericht 6. Juli 2009 - L 9 B 274/08 AS und 8. Juli 2009 - L 6 AS 174/09 B; sich anschließend: Hessisches Landessozialgericht, 13. Juli 2009 - L 7 AL 89/09 B und für Rechtslage ab 11. August 2010: 4. Oktober 2010 - L 7 AS 436/10 B). Dabei haben Gründe, welche die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG rechtfertigen könnten, außer Acht zu bleiben (vgl. für Beschwerdeverfahren: Hessisches Landessozialgericht, 12. Januar 2009 - L 7 AS 421/08 B ER m.w.N.).

Der Senat hält an seiner Auffassung (vgl. ausführlich: Beschluss vom 7. Dezember 2011 - L 4 AS 1878/11 B) auch in Ansehung der Änderung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010 (BGBl I 1127) fest, die mit Wirkung ab 11. August 2010 in Kraft getreten ist (Art. 12 S. 1 des Änderungsgesetzes). Zwar hat der Gesetzgeber danach ausdrücklich eine Begrenzung durch den Beschwerdewert nur für Prozesskostenhilfeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vorgesehen. Dem ist aber nicht ein aus der Gesetzesbegründung erkennbarer Wille zu entnehmen, für Hauptsacheverfahren im Umkehrschluss die Statthaftigkeit der Beschwerde entgegen § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 S. 2 2. Hs. ZPO zu erweitern. Die Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 152/10, S. 23) weist nur darauf hin, dass der Streit in Rechtsprechung und Literatur über den Umfang des Beschwerdeausschlusses in PKH-Verfahren für den einstweiligen Rechtsschutz gesetzlich geklärt werden soll. Eine weitergehende Regelungsabsicht, die sicherlich sinnvoll gewesen wäre, ist nicht zu erkennen. Eine andere Auslegung ergibt sich auch nicht aus der Stellungnahme des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren [BR-Drucks 152/10 (Beschluss), S. 5], der eine weitergehenden Ausschluss der Beschwerde auch für Hauptsacheverfahren ausdrücklich empfahl. Ist der Gesetzgeber der Empfehlung nicht gefolgt, bedeutet das nur, insoweit keine klarstellende Regelung treffen zu wollen. Nicht hingegen ist weitergehender daraus zu entnehmen, entgegen der im Beschluss des Bundesrates benannten obergerichtlichen Rechtsprechung die Beschwerde im Übrigen ausdrücklich zu eröffnen. Zumal die Begründung des Beschlusses ausdrücklich erkennen lässt, mit der Empfehlung keine andere Regelung, sondern in Ansehung des Meinungsstreits in der Rechtsprechung lediglich eine Missverständnisse ausschließende Klarstellung sicherstellen gewollt zu haben.

Anhand dieses Maßstabs wäre ein Rechtsmittel in der Hauptsache ohne Zulassung nicht eröffnet.

Nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG i.d.F. ab 1. April 2008 - SGG F. 2008 - bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr ...

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