Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsgebühr. vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr/Beratungsgebühr. teilweise Anrechnung auf spätere Verfahrensgebühr
Leitsatz (amtlich)
Eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr (Beratungsgebühr) ist nach dem eindeutigen Wortlaut der RVG-VV Nr 2503 Abs 2 S 1 unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise (zur Hälfte) auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen (vgl BGH vom 30.4.2008 - III ZB 8/08 = MDR 2008, 886; vgl BGH vom 22.1.2008 - VIII ZB 57/07 = NJW 2008, 1323; vgl VG Ansbach vom 8.10.2008 - AN 14 M 08.30348; entgegen LSG Essen vom 18.3.2008 - L 1 B 21/07 AL; entgegen OLG München vom 30.8.2007 - 11 W 1779/07).
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 29. Oktober 2008 aufgehoben und die zu erstattende Vergütung auf insgesamt 627,80 Euro festgesetzt.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Meiningen streitig (Az.: S 17 AS 1986/05), in dem sich die von der Beschwerdegegnerin vertretenen Kläger gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid über 3.894,64 Euro gewandt hatten. Die Beschwerdegegnerin war für diese bereits im Rahmen der Beratungshilfe tätig gewesen und hatte nach eigenen Angaben eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) erhalten.
Auf die Klageerhebung bewilligte das Sozialgericht Meiningen den Klägern mit Beschluss vom 2. März 2006 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung ab 16. Dezember 2005 und ordnete die Beschwerdegegnerin bei. Mit gerichtlichem Vergleich wurde das Verfahren am 17. Juli 2006 beendet. Darin erklärte sich die beklagte Arbeitsgemeinschaft bereit, den Klägern zwei Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
In ihrer Kostenrechnung vom 8. August 2006 machte die Beschwerdegegnerin einen Betrag von insgesamt 672,80 Euro geltend. Abzüglich eines bereits gezahlten Vorschusses von 300,00 Euro sei damit noch eine Vergütung von 372,80 Euro zu erstatten. Unter dem 5. Oktober 2006 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle eine Zahlung von 327,30 Euro an und begründete dies damit, dass die bereits aus der Staatskasse erhaltene Geschäftsgebühr in Höhe von 91,00 Euro nach Nr. 2603 VV RVG zur Hälfte angerechnet werde.
Auf die Erinnerung der Beschwerdegegnerin hat sich der Beschwerdeführer der Rechtsansicht der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle angeschlossen.
Mit Beschluss vom 29. Oktober 2008 hat das Sozialgericht Meiningen die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 372,80 Euro festgesetzt und die Beschwerde zugelassen. Die Erinnerung sei begründet, weil die Anrechnung der hälftigen Beratungshilfegebühr ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Entsprechend dem Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 18. März 2008 - Az.: L 1 B 21/07 AL sei die Gebühr Nr. 2503 VV RVG nicht auf die Verfahrensgebühr des anschließenden Verfahrens anzurechnen.
Gegen den ihm am 6. November 2008 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 18. November 2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf seine Erinnerungserwiderung verwiesen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 29. Oktober 2008 aufzuheben und die Vergütung der Beschwerdegegnerin auf 627,30 Euro festzusetzen.
Die Beschwerdegegnerin hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Mit Beschluss vom 15. Januar 2009 hat der Senatsvorsitzende nach Anhörung der Beteiligten das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft.
Diese Vorschriften sind anwendbar (vgl. Beschlüsse vom 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF und 29. April 2008 - L 6 B 32/08 SF; ebenso LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. Juli 2008 - Az.: L 6 B 141/07; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17. Juli 2007 - Az.: L 1 B 127/08 SK, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 28. Mai 2008 - Az.: L 20 B 7/08 AS, 29. Januar 2008 - Az.: L 1 B 35/07 AS und 9. August 2007 - Az.: L 20 B 91/07 AS). Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest.
Sie ist zulässig, denn die Vorinstanz hat die Beschwerde ausdrücklich zugelassen und sie ist innerhalb der Zwei-Wochen-Frist der §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt worden.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Allein im Streit steht im vorliegenden Fall, ob die Urkundsbeamtin der Geschäftstelle bei der Kostenfestsetzung die Hälfte der der Beschwerdegegnerin aufgrund der Beratungshilfe gezahlte Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens nach Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG (bis zum 30. Juni 2006: Nr. 2603 Abs. 2 VV RVG) anrechnen durfte. Dies ist entgegen ...