Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit eines Beschlusses über die Anordnung des Ruhens des Verfahrens
Orientierungssatz
1. Ein Beschluss über die Anordnung des Ruhens des Verfahrens zählt nicht zu den nach § 172 Abs. 2 SGG von der Anfechtung mit der Beschwerde ausgeschlossenen Entscheidungen.
2. Zu einer begehrten Aufhebung des Ruhensbeschlusses fehlt jedoch das erforderliche Rechtsschutzinteresse, weil der Verfahrensbeteiligte jederzeit beim Sozialgericht die Wiederaufnahme und Fortführung des Verfahrens verlangen kann.
Tenor
Die Beschwerde wird verworfen.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Hauptsacheverfahren um die Frage, ob bei der Anrechnung einer Unfallrente auf die Regelaltersrente ein höherer Freibetrag zu berücksichtigen ist.
Im Rahmen des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Meiningen (SG) mit dem Aktenzeichen S 12 R 36/09 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 6. März 2009 beantragt, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über einen Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Dessau (Az.: 1 BvL 1/05), dieselbe Rechtsfrage betreffend, ruhen zu lassen. Nach Zustimmung der Beklagten hat das SG mit Beschluss vom 7. April 2009 das Verfahren ruhend gestellt und zur Begründung ausgeführt, dass aufgrund der Zustimmung der Beteiligten wegen der beim "Bundessozialgericht" (BSG) anhängigen Verfahren, bei denen auch die im vorliegenden Verfahren entscheidungserhebliche Frage zu prüfen sei, das Ruhen angeordnet werde. Gegen diesen Beschluss sei die Beschwerde statthaft.
Gegen den ihr am 15. April 2009 per Postzustellungsurkunde zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit Schreiben vom 7. Mai 2009 beim Sozialgericht Meiningen (SG) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, dass sie allein wegen des beim BVerfG anhängigen Vorlagebeschlusses dem Ruhen des Verfahrens zugestimmt habe. Die stattdessen vom SG im Beschluss erwähnten Verfahren vor dem BSG seien nicht mit Datum und Aktenzeichen benannt und auch nicht von ihrer Zustimmung umfasst. Eine angekündigte Verfassungsbeschwerde des DGB biete keine Rechtsgrundlage für ein Ruhen. Schließlich habe auch das BVerfG den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Dessau bereits am 6. Mai 2008 als "unzulässig abgewiesen". Dementsprechend könne nicht von ihrer Zustimmung zum Ruhen ausgegangen werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss vom 7. April 2009 aufzuheben und das Verfahren vor dem Sozialgericht wieder aufzunehmen und fortzusetzen.
Die Beklagte hat sich hierzu nicht geäußert.
Das SG hat die Akten auf Anforderung dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerde- sowie der Hauptsacheakte Bezug genommen.
II.
Die statthafte Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet die Beschwerde gegen die Entscheidung der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte statt, soweit nicht das Gesetz etwas anderes bestimmt. Ein Beschluss über die Anordnung des Ruhens des Verfahrens zählt nicht zu den gemäß § 172 Abs. 2 SGG von der Anfechtung mit der Beschwerde ausgeschlossenen Entscheidungen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, Vor § 114 Rdnr. 5).
Der Klägerin fehlt jedoch das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Aufhebung des Ruhensbeschlusses, da sie jederzeit beim SG die Wiederaufnahme und Fortführung des Verfahrens nach § 202 SGG i.V.m. § 250 der Zivilprozessordnung (ZPO) verlangen kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, a.a.O.).
Der Senat folgt insoweit nicht der Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts vom 29. August 2005 (Az.: L 1 B 74/05 KR). In diesem Verfahren wurde der Ruhensbeschluss des SG mit der Begründung aufgehoben, dieses habe es rechtsfehlerhaft versäumt, im Wege der Abhilfeentscheidung nach § 174 SGG a.F. die zunächst wegen mangelnder Beschwer unzulässige Beschwerde in einen Wiederaufnahmeantrag umzudeuten und das Verfahren fortzuführen. Dadurch sei die Beschwerde über die "Fortdauer des Ruhensbeschlusses" zulässig geworden und wegen des Antragsrechts nach § 202 SGG i.V.m. § 250 ZPO auch begründet. Mit der Streichung des § 174 SGG und damit der Möglichkeit der Abhilfeentscheidung zum 1. April 2008 ist der Begründung des Sächsischen Landessozialgerichts der rechtliche Boden entzogen worden, denn die Vorlage der Akten an das LSG kann nun nicht mehr als (rechtswidrige) Ablehnung der Abhilfeentscheidung ausgelegt werden. Damit bleibt die Beschwerde unzulässig.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Fundstellen