Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsgebühr. Erledigungsgebühr. mündliche Erweiterung der Klagebegründung. anwaltliche Mitwirkung. Erledigung der Rechtssache. Annahme eines Vergleichsvorschlags. Terminsgebühr. Abschluss eines Vergleichs im schriftlichen Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine mündliche (hier: telefonische) Erweiterung der Klagebegründung ist keine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung der Rechtssache (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 1 KR 13/06 R = Rpfleger 2007, 346; vgl BSG vom 7.11.2006 - B 1 KR 22/06 R = ZfS 2007, 86; vgl BSG vom 7.11.2006 - B 1 KR 23/06 R = NZS 2007, 612; vgl LSG Stuttgart vom 7.3.2006 - L 3 AL 353/06 NZB) nach § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 1005 RVG.

2. Die Einwirkung auf den Kläger, einen Vergleichsvorschlag der Beklagten anzunehmen, erfüllt die Voraussetzungen der besonderen anwaltlichen Mitwirkung (vgl OVG Münster vom 25.2.1985 - 2 B 2547/84 = Rpfleger 1985, 325).

3. Für jede Rahmengebühr ist eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs 1 RVG erforderlich.

4. Ein Vergleich im schriftlichen Verfahren begründet keine Terminsgebühr nach § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3106 VV RVG (vgl LSG Essen vom 16.8.2006 - L 20 B 137/06 AS = RVGreport 2006, 469; vgl LSG Essen vom 10.5.2006 - L 10 B 13/05 SB = AGS 2006, 441). Die bloße Annahme eines Teilanerkenntnisses fällt ebenfalls nicht darunter.

5. Eine analoge Anwendung des Vergleichs aus § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3104 Abs 1 Nr 1 Alt 3 VV RVG kommt bei § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3106 VV RVG nicht in Betracht.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Gotha streitig (Az: S 23 AL 2895/04), in dem sich der Kläger gegen eine Sperrzeit von 12 Wochen wandte. Bereits im Widerspruchsverfahren wurde er von dem Beschwerdegegner vertreten. Gegen den Widerspruchsbescheid der beklagten Bundesagentur für Arbeit vom 26. August 2004 erhob er am 27. September 2004 Klage und beantragte Akteneinsicht und die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH); am 8. März 2005 begründete er die Klage. Mit Beschluss vom 16. August 2005 bewilligte das Sozialgericht dem Kläger ab 18. Juli 2005 PKH, ordnete den Beschwerdegegner bei und gab dem Kläger mit Verfügung vom gleichen Tage auf, eine Kopie des Mietvertrages, Belege zu Nebeneinkommen, Kfz-Versicherung, Kfz-Steuer sowie ein etwaiges Darlehen vorzulegen.

Der ehemalige Arbeitgeber des Klägers berichtete dem Gericht auf Anfrage unter dem 30. September 2005, diesem sei mit einer Videoaufnahme ein Diebstahl konkret nachgewiesen worden; es habe deshalb ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 des bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorgelegen. Mit Verfügung vom 20. Oktober 2005 teilte die Kammervorsitzende der Beklagten mit, der Beschwerdegegner habe in einem persönlichen Gespräch u.a. ausgeführt, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Diebstahls eingestellt habe. Nach ihrer Ansicht bedeute es für den Kläger eine besondere Härte, wenn gegen ihn trotz nicht bewiesenem Diebstahl eine Sperrzeit von 12 Wochen verhängt werde; sie rege an, diese auf sechs Wochen zu verringern. Den Schriftsatz des Beklagten vom 27. Oktober 2005 (“...Die Beklagte erklärt sich daher bereit, dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) in gesetzlicher Höhe ab 5.06.2004 zu bewilligen. Die außergerichtlichen Kosten trägt jede Partei selbst. Auf die Bewilligung der Prozesskostenhilfe wird verwiesen...„) leitete die Kammervorsitzende dem Beschwerdegegner zu, der unter dem 2. Dezember 2005 “das Teilanerkenntnis„ annahm und der Abkürzung der Sperrfrist auf sechs Wochen zustimmte.

In seinem am 5. Dezember 2005 beim Gericht eingegangenen Kostenerstattungsantrag vom 2. Dezember 2005 begehrte der Beschwerdegegner die Erstattung folgender Gebühren:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

250,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 Nr 3 VV RVG

200,00 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 

   20,00 Euro

470,00 Euro

16 v.H. Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

   75,20 Euro

545,20 Euro

Mit Verfügung vom 17. Januar 2006 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu erstattende Gebühr auf 284,20 Euro fest. Sie werte die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger als durchschnittlich, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit dagegen als leicht unterdurchschnittlich. Daher seien die Gebühren auf jeweils die Hälfte der Mittelgebühr festzusetzen.

Dagegen hat der Beschwerdegegner am 1. Februar 2006 Erinnerung eingelegt und beantragt zusätzlich Fotokopierkosten für 63 Kopien gem. Nr. 7000 VV RVG sowie eine Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 Abs. 4 VV RVG i.V.m. Nr. 1002 VV RVG in Höhe von 200,00 Euro und die Umsatzsteuer zu erstatten. Der Streitfall sei eher überdurchschnittlich gewesen, weil dem Verfahren voraus/parallel laufend staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und ein arbeitsgerichtlicher Rechtsstreit geführt wurden. Es habe sogar - ohne förmliche Ladung - eine gerichtliche Erörterung stattgefunden, in deren Ergebnis sich die Beteiligten auf die Hälfte, d.h. eine Verkürzung der Sperrz...

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