Entscheidungsstichwort (Thema)
Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zur Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 86a Abs. 3 SGG bereits vor Erlass eines Widerspruchsbescheides bzw. vor Klageerhebung möglich.
2. Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung oder im Wege der Amtsermittlung einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund bejahen kann. Einstweiliger Rechtsschutz kommt nur dann in Betracht, wenn eine Rechtsschutzgewährung in der Hauptsache zu spät käme und dadurch der verfassungsrechtliche Anspruch auf effektiven Rechtsschutz beeinträchtigt würde.
3. Sind die Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens völlig offen, so fehlt es am erforderlichen Anordnungsanspruch.
4. An der Glaubhaftmachung des notwendigen Anordnungsgrundes fehlt es, wenn eine finanzielle Notlage des Antragstellers nicht ersichtlich ist. Bei einer dem Rentenversicherungsträger gegenüber geltend gemachten Erwerbsminderungsrente ist es dem Antragsteller zuzumuten, die Sicherstellung seines Lebensunterhalts durch beantragte Leistungen des SGB 2 bzw. des SGB 12 herbeizuführen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 11. April 2014 abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des Beschwerdeführers vom 21. November 2013 gegen den Bescheid vom 14. November 2013 aufschiebende Wirkung hat. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Vorschuss auf eine zu gewährende Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Beschwerdegegnerin zahlte dem 1963 geborenen Beschwerdeführer aufgrund eines Vergleichs vor dem (SG) Nordhausen (Az.: S 3 R 1319/07) vom 20. Mai 2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes vom 1. November 2010 bis zum 31. Oktober 2013. Zugrunde lag dem ein psychiatrisch-psychosomatisches Gutachten des Dr. B. vom 2. Februar 2011, in dem der Sachverständige u.a. ausgeführt hatte, bisher seien weder ambulante noch stationäre therapeutische Möglichkeiten ausgeschöpft worden. Erst nach einer intensiven Behandlung könne näher eingeschätzt werden, ob sich der Gesundheitszustand mit Auswirkung auf das Leistungsvermögen verbessern werde. Gegebenenfalls solle eine stationäre, psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme eingeleitet werden. Am 19. Februar 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer mit der Begründung, er leide an einer Herzschwäche und gehe davon aus, dass er nicht mehr lange leben werde. Die Beschwerdegegnerin holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. W. vom 4. Juni 2013 ein (Diagnosen: leichtgradiges Cervicocranialsyndrom mit Hinterkopfschmerz, leichtes funktionelles Lumbalsyndrom L5 bis S3 rechts, Schlafapnoesyndrom, Tinnitus aurium, psychogen induziertes mäßiggradiges hirnorganisches Psychosyndrom mit Konzentrationsschwierigkeiten, Merkfähigkeits- und Operativgedächtnisstörungen), in dem dieser ausführte, ob mit der Rentengewährung tatsächlich etwas Gutes erreicht worden sei, erscheine fraglich. In den letzten anderthalb Jahren sei der Beschwerdeführer elegisch selbstbemitleidend, klagsam und in allen Bereichen aggravierend. Eine schulmäßige psychiatrische oder richtliniengerechte ambulante Psychotherapie habe nicht einmal in Ansätzen stattgefunden. Der Beschwerdeführer “koche gleichermaßen im eigenen Saft„ und wundere sich, dass er aus seiner individuellen Misere nicht “rauskomme„. Seine Ehefrau wirke in Form Overprotectionssituation diesbezüglich unterstützend mit und habe es bisher nicht fertig gebracht, ihn einer entsprechenden therapeutisch orientierten Psychotherapie zuzuführen. So falsch wie der Ansatz auch sei, müsse gutachterlich festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im funktionellen Ist-Zustand nicht arbeiten könne. Es wäre tatsächlich ein Fall für Versicherungsdetektive, die beobachten und beurteilen könnten und sollten, ob das elegisch klagsame Verhalten des Beschwerdeführers sich auch auf den Alltag beziehe.
Nach einer Stellungnahme des Ärztlichen Prüfdienstes vom 17. Juni 2013, dass dem Beschwerdeführer vor einer abschließenden Entscheidung eine Rehabilitationsmaßnahme gewährt werden sollte, bewilligte ihm die Beschwerdegegnerin mit Bescheid vom 29. August 2013 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Ende der Rehabilitationsmaßnahme, befristet bis zum 31. Dezember 2013. Sollte er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein, an einer Rehabilitationsmaßnahme teilzunehmen, werde er um Übersendung eines ärztlichen Attests gebeten. Wegen der nur zweimonatigen Verlängerung der Rente erhob der Besc...