Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Rechtsanwaltsgebühr in einem Verfahren über die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Bei einem deutlich unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, einer deutlich unterdurchschnittlichen Schwierigkeit, einer geringen Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger und unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers ist als Verfahrensgebühr nach Nr. 3103, 3102 VV RVG (juris: RVG-VV) unter Berücksichtigung von § 14 Abs. 1 RVG die halbe Mittelgebühr festzusetzen.
2. Auch die Terminsgebühr der Nr. 3106 VV RVG wird nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG festgesetzt. Liegt die Dauer des Verhandlungstermins deutlich unter dem durchschnittlichen zeitlichen Ansatz von 30 Minuten, so ist eine Terminsgebühr von 100,- € angemessen.
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 15. Juli 2013 aufgehoben und die Gebühren für das Verfahren S 6 AS 7499/09 auf 243,95 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B m.w.N.) und zulässig, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro und die Beschwerde wurde rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist erhoben. Die Rechtsmittelbelehrung im angegriffenen Beschluss ist fehlerhaft, denn dort wird angegeben, die Beschwerdefrist sei auch gewahrt, wenn die Beschwerde (innerhalb der Zwei-Wochen-Frist) beim Thüringer Landessozialgericht eingelegt wird. Dies widersprich dem eindeutigen Wortlaut der §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 7 S. 3 RVG, wonach sie bei dem Gericht einzulegen ist, dessen Entscheidung angefochten wird (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Mai 2013 - L 6 SF 293/13 B).
Die Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Beitragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das Sozialgericht hatte der kostenprivilegierten Klägerin mit Beschluss vom 16. Februar 2010 Prozesskostenhilfe gewährt. Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B); dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Hier war hinsichtlich der Verfahrensgebühr Nr. 3103, 3102 VV-RVG die halbe Mittelgebühr (85,00 Euro) statt der von der Urkundsbeamtin zuerkannten Gebühr in Höhe eines Viertels der Mittelgebühr (42,50 Euro) angemessen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war deutlich unterdurchschnittlich. Abgestellt wird auf den zeitlichen Aufwand, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auf die Sache verwenden musste (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B). Der Beschwerdeführer hatte lediglich die Klagebegründung und zwei weitere kurze Schriftsätze (Rücksendung der Akte und Ablehnung einer weiteren Stellungnahme) gefertigt. Große Teile der Begründung (Verstoß gegen § 35 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫ und gegen die Rundungsvorschrift) sind inhaltlich identisch mit anderen Klagebegründungen. Diese Synergieeffekte mindern den Aufwand im Verfahren erheblich (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juni 2013 - L 6 SF 654/13 B). Ein konkreter Vortrag des Beschwerdeführers, der einen höheren Aufwand begründen könnte, liegt nicht vor. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, ...