Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Leistungsort. Werkstätte für behinderte Menschen. besonders hoher Pflegebedarf

 

Orientierungssatz

Bei der subkutanen Verabreichung von Insulininjektionen handelt es sich grundsätzlich um eine Maßnahme der sog Laienpflege, die auch von Personen übernommen werden kann, die nicht die für einen Pflegeberuf gesetzlich vorgesehene berufliche Ausbildung haben. Die Blutzuckermessung und die Insulininjektionen sind zumindest nach der überwiegend in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung grundsätzlich einfache behandlungspflegerische Verrichtungen, deren Erbringung keine ärztlichen oder medizinisch-pflegerischen Kenntnisse erfordert (vgl LSG Stuttgart vom 16.5.2012 - L 5 KR 1905/10, SG Chemnitz vom 27.9.2013 - S 27 SO 158/13 ER, SG Dresden vom 15.8.2008 - S 18 KR 397/08 ER sowie LSG Darmstadt vom 17.12.2007 - L 1 KR 110/06).

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die vorläufige Verpflichtung der Beschwerdegegnerin, ihm häusliche Krankenpflege in Form von Insulininjektionen während des Aufenthaltes in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zu gewähren.

Der 1953 geborene Beschwerdeführer ist bei der Beschwerdegegnerin gesetzlich krankenversichert. Er ist geistig schwerbehindert (GdB 50) sowie pflegebedürftig und steht unter rechtlicher Betreuung. Er leidet unter anderem an Diabetes mellitus und bedarf täglich mehrerer subkutaner Insulininjektionen, die er sich nicht selbst verabreichen kann. Er bezieht Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Beigeladenen zu 2) und besucht an fünf Tagen in der Woche die WfbM des Beigeladenen zu 1). Während des Aufenthalts in der Werkstatt (täglich sieben Stunden) benötigt er zwei Insulininjektionen. In der Zeit vom 13. Juli 2012 bis 25. September 2014 übernahm die Beschwerdegegnerin die Kosten für die Verabreichung der Insulininjektionen in der WfbM. Diese wurden von einem Pflegedienst, dem Pflegezentrum E. A. und W. GmbH (Pflegedienst), durchgeführt.

Mit Folgeverordnung häuslicher Krankenpflege vom 26. September 2014 verordnete Dr. F. für den Zeitraum 26. September 2014 bis 30. März 2015 häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung. Die verordneten Maßnahmen umfassten Insulininjektionen 2 x täglich/5 x wöchentlich im genannten Zeitraum.

Mit Bescheid vom 7. Oktober 2014 lehnte die Beschwerdegegnerin die Behandlungspflegemaßnahme - zweimal täglich Insulininjektionen in der WfbM - ab. Bei dem Beschwerdeführer ergebe sich durch die zweimal tägliche Erbringung der Insulininjektionen und ggf. weiterer erforderlicher grundpflegerischer Verrichtungen während des Aufenthaltes in der Werkstatt kein besonders hoher Pflegebedarf. Darüber hinaus handle es sich bei der begehrten Behandlungspflegemaßnahme um eine Verrichtung der sogenannten Laienpflege. Diese könne üblicherweise auch von Personen erbracht werden, welche nicht die für einen Pflegeberuf gesetzlich vorgesehene berufliche Ausbildung hätten.

Hiergegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 3. November 2014 Widerspruch. Am gleichen Tag hat er Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Gotha (SG) gestellt. Er könne nicht auf medizinische Hilfe durch den Träger der WfbM verwiesen werden. Der Landesrahmenvertrag mit dem F. Th. nach § 79 SGB XII lege in § 4 fest, dass Leistungstypen festzusetzen sind, welche die Ausstattung teilstationärer Einrichtungen regelten. Der Leistungstyp für die WfbM sehe in seiner Fassung vom 4. Juni 2008 eine veränderte Regelung im Vergleich zur Fassung vom 8. April 2003 bei den Betreuungsleistungen vor. So heiße es jetzt: "Sicherung des Einkaufs der erforderlichen pflegerischen Hilfen..." und nicht mehr “Sicherstellung der erforderlichen pflegerischen Hilfen". Zudem enthielten weder der Landesrahmenvertrag noch der Werkstattvertrag Regelungen über die Erbringung von Behandlungspflege. Überdies sei die vom Beschwerdeführer besuchte WfbM auch personell nicht mit für Insulininjektionen qualifizierten medizinischen Fachkräften ausgestattet. Dies sehe weder der Rahmenvertrag noch die mit der WfbM geschlossene Leistungsvereinbarung vor. Insulin könne jedoch nur durch medizinisches Fachpersonal injiziert werden, wie sich aus einem Gutachten der Dr. S. vom 11. Juli 2012 aus dem anderen Verfahren (S 38 KR 604/12) vor dem Sozialgericht Gotha ergebe. Ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung sei die Finanzierung der Insulininjektionen nicht sichergestellt. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache hätte für ihn lebensgefährliche Folgen. Hierzu hat der Beschwerdeführer ein Schreiben des Pflegedienstes vom 12. November 2014 vorgelegt, nach dem dieser in Rücksprache mit dem Betreuer und im Hinblick auf eine gesicherte Versorgung weiterhin die Leistungserbringung sicherstellt und insoweit in Vorkasse geht.

Das...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge