Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Antragsrecht der Staatskasse. Abänderungsverfahren. Beschwerderecht. Nachzahlungsverfahren)
Leitsatz (amtlich)
1. Die Staatskasse ist berechtigt, ein Abänderungsverfahren nach § 120 Abs 4 ZPO zu beantragen.
2. Die Staatskasse hat ein Beschwerderecht gegen Beschlüsse im Nachzahlungsverfahren analog aus § 127 Abs 3 S 1 ZPO.
3. § 127 ZPO enthält jedoch eine planwidrige Gesetzeslücke.
Tenor
Der Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 1. September 1998 wird dergestalt abgeändert, dass ab 1. Januar 2003 monatliche Raten in Höhe von 175,00 € zu zahlen sind.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Tatbestand
Der 6. Senat des Thüringer Landessozialgerichts bewilligte der Klägerin in ihrem Berufungsverfahren auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Beschluss vom 1. September 1998 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung. Diese bezog nach ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum damaligen Zeitpunkt lediglich eine Witwenrente in Höhe von 1.075,21 DM (= 549,05 €) monatlich.
Auf Grund eines außergerichtlichen Vergleichs vom 5. März 2001 gewährte ihr die beklagte Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz rückwirkend ab 1. März 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Auf Antrag des Antragstellers hat der Senat eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 13. Mai 2002 mit entsprechenden Belegen angefordert. Danach bezieht die Klägerin seit 1. Januar 2002 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 605,40 € monatlich sowie Witwenrente in Höhe von 576,27 € monatlich.
Entscheidungsgründe
Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) setzt das Gericht mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Nach Absatz 4 Satz 1 Halbs. 1 kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgeblichen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.
Der Antrag des Antragstellers ist zulässig. Er ist insbesondere berechtigt, ein Abänderungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO zu beantragen.
Die h.M. bejaht ein Beschwerderecht der Staatskasse gegen Beschlüsse im Nachzahlungsverfahren analog aus § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 1999 - Az.: L 6 B 32/99 RJ in E-LSG B-141 m.w.N.; OLG Nürnberg in Rpfleger 1995, 465; Philippi in Rpfleger 1995, 466; Wax in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 1992, § 127 Rdnr. 43). Zwar bezieht sich diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut unmittelbar eigentlich nur auf die erstmalige PKH-Bewilligung. § 127 ZPO enthält jedoch eine planwidrige Gesetzeslücke, wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt. Nach den Gesetzesmaterialien war beabsichtigt, der Staatskasse ein Beschwerderecht gegen Beschlüsse im Nachzahlungsverfahren einzuräumen (vgl. Philippi, a.a.O., m.w.N.).
Wenn ein eigenständiges Beschwerderecht zugebilligt wird, ist der Staatskasse auch ein förmliches Antragsrecht für das Abänderungsverfahren - wie hier - einzuräumen (so auch OLG Nürnberg, a.a.O.).
Der Antrag ist auch begründet. Eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse liegt vor, denn durch den zusätzlichen Bezug der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit verdoppelte sich das Einkommen der Klägerin. Damit wurde ihr wirtschaftlicher und sozialer Lebensstandard spürbar verbessert (vgl. Philippi in Zöller, 22. Auflage 2001, § 120 Rdnr. 21 m.w.N.).
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin stellt sich wie folgt dar:
Witwenrente 576,27 € Rente wegen Erwerbsunfähigkeit 658,76 € Einkommen insgesamt 1.235,03 € ./. Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Satz 1 360,00 € Halbs. 1 und 2 ZPO ./. Kosten der Unterkunft 333,35 € ./. Kranken- und Pflegeversicherung 53,36 € ./. Unfallversicherung 10,35 € ./. Rechtsschutzversicherung 10,43 € ./. Haushaltversicherung 8,20 € 459,36 €
Die Telefonkosten gehören nicht zu den abzusetzenden Beträgen nach § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO.
Nach der Tabelle zu § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO ergibt sich hieraus eine von der Klägerin zu zahlende Monatsrate von 175,00 €.
Im Rahmen seines ihm durch § 120 Abs. 4 ZPO zugewiesenen Ermessens (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 1999, a.a.O.; LAG Nürnberg in LAG-E 37,17; Wax in Münchener Kommentar, a.a.O., § 120 Rdnr. 10) hält es der Senat für angemessen, dass die Klägerin diese Raten angesichts ihrer erheblichen Einkommensverbesserung ab Januar 2003 entrichtet. An den Antrag des Antragstellers zur Höhe der Monatsraten (135,00 €) war der Senat nicht gebunden. Der unterschiedliche Betrag ergab sich durch einen Rechenfehler. Hierauf wurde die Klägerin schriftlich hingewiesen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Fundstellen