Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit. Beschwerde. isoliertes Rechtsmittel. Verschuldenskosten. Klagerücknahme im Rechtsmittelverfahren. Aufhebung der Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren gem § 192 Abs 2 S 2 SGG

 

Leitsatz (amtlich)

Nimmt ein Kläger im Rechtsmittelverfahren die Klage zurück, ist die Beschwerde als isoliertes Rechtsmittel gegen Kostenentscheidungen des Sozialgerichts nach § 192 Abs. 1 SGG statthaft (vgl LSG Berlin vom 10.6.2004 - L 3 U 15/04; vgl LSG Stuttgart vom 18.11.2005 - L 8 SB 3940/05 AK-A; vgl LSG Halle vom 1.6.2006 - L 7 V 2/06; vgl LSG Celle-Bremen vom 8.8.2006 - L 9 SB 42/05; vgl LSG Berlin-Potsdam vom 23.5.2007 - L 8 B 1695/07 R).

 

Tenor

Die Kostenentscheidung in dem Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 12. Januar 2006 wird aufgehoben, soweit dem Kläger darin Kosten nach § 192 des Sozialgerichtsgesetzes auferlegt worden sind.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrte in der Hauptsache die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz.

Er hatte im Juli 1975 einen Ingenieurabschluss erlangt und war von 1978 bis Juni 1990 als Elektroingenieur im VEB Bau- und Montagekombinat E., Kombinatsbetrieb Industriebauprojektierung, tätig.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungszeiten mit Bescheid vom 11. März 2004 und Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2004 ab, weil die am 30. Juni 1990 ausgeübte Beschäftigung nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt worden sei.

Die dagegen bei dem Sozialgericht Gotha erhobene Klage hat der Kläger damit begründet, dass der Betrieb offensichtlich dem Bauwesen zuzuordnen sei. In der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2006 ist nur vermerkt: “Der Vorsitzende weist auf die objektive Aussichtslosigkeit der Klage hin und erteilt den Hinweis auf § 192 SGG.„. Mit Urteil vom selben Tage hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und dem Kläger Verschuldenskosten in Höhe von 300,00 € auferlegt. Nach der Begründung des Urteils scheitert der geltend gemachte Anspruch bereits an dem Umstand, dass der rechtlich selbständige Kombinatsbetrieb kein Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens war. Abgesehen davon sei der Kläger an dem Stichtag nicht mehr in einem volkseigenen Betrieb, sondern in einer GmbH tätig gewesen. Die Kammer nehme insoweit Bezug auf den beigezogenen Handelsregisterauszug, wonach die Rechtsnachfolgerin, die T. GmbH, am 29. Juni 1990 eingetragen wurde.

Mit der dagegen eingelegten Berufung hat sich der Kläger insbesondere auch gegen die Auferlegung von Verschuldenskosten gewandt. Er habe von dem Kammervorsitzenden des Sozialgerichts keinerlei Unterlagen bekommen, die die Entscheidung in dem Urteil nachvollziehbar machten. Die Beklagte hat sodann auf Anforderung des damaligen Berichterstatters die Privatisierungsunterlagen zum VEB Bau- und Montagekombinat E., Kombinatsbetrieb Industriebauprojektierung, unter anderem einen Auszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft der DDR sowie einen Handelsregisterauszug des Nachfolgebetriebes vorgelegt.

In der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2007 hat der Kläger auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden die Klage zurückgenommen und beantragt,

im Beschlussverfahren über die Mutwillenskosten nach § 192 SGG zu entscheiden.

Die Beklagte hat sich zu der Kostenfrage nicht geäußert.

II.

Durch die Klagerücknahme hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 102 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫ in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung). Nach § 102 Satz 3 SGG ist auf Antrag diese Wirkung durch Beschluss auszusprechen und, soweit Kosten entstanden sind, über diese zu entscheiden. Nach § 192 Abs. 2 Satz 1 SGG (in der Fassung des am 2. Januar 2002 in Kraft getretenen Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17. August 2001) wird zwar die Entscheidung über die Auferlegung von Verschuldenskosten in ihrem Bestand nicht durch die Rücknahme der Klage berührt. Sie kann jedoch nach § 192 Abs. 2 Satz 2 SGG durch eine zu begründende Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Auffassung an, dass die Beschwerde nach Klagerücknahme im Rechtsmittelverfahren als isoliertes Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung des Sozialgerichts nach § 192 Abs. 1 SGG statthaft ist (vgl. Beschlüsse des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Berlin vom 10. Juni 2004 - Az.: L 3 U 15/04, LSG Baden-Württemberg vom 18. November 2005 - Az.: L 8 SB 3940/05 AK-A, LSG Sachsen-Anhalt vom 1. Juni 2006 - Az.: L 7 V 2/06, LSG Niedersachsen-Bremen vom 8. August 2006 - Az.: L 9 SB 42/05, LSG Berlin-Brandenburg vom 23. Mai 2007 - Az.: L 8 B 1695/07 R, alle nach juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 192 Rdnr. 20a; Groß in Lüdtke (Hrsg.), Sozialgerichtsgesetz, Handkommentar, 3. Auflage 2009, § 192 Rdnr. 35; Straßfeld in Jansen...

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