Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. pauschale Ablehnung eines Spruchkörpers wegen Besorgnis der Befangenheit. Rechtsmissbräuchlichkeit. Entscheidung über Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter. § 197 SGG verdrängt als lex specialis § 172 Abs 1 SGG im Kostenfestsetzungsverfahren. KostRMoG 2
Leitsatz (amtlich)
1. Die pauschale Ablehnung eines Spruchkörpers (hier: alle Senatsmitglieder aller Senate des Thüringer LSG) ist rechtsmissbräuchlich. Dann kann der Spruchkörper (hier: 6. Senat) in alter Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter über das unzulässige Ablehnungsgesuch entscheiden (vgl BSG vom 19.2.2012 - B 11 AL 13/09 C = SozR 4-1500 § 60 Nr 7).
2. § 197 SGG regelt abschließend das Verfahren der Festsetzung der Kosten im Verhältnis der Beteiligten und verdrängt als lex specialis § 172 Abs 1 SGG (vgl LSG Erfurt vom 30.9.2013 - L 6 SF 1481/13 B; LSG Chemnitz vom 6.9.2013 - L 8 AS 1509/13 B KO = AGS 2013, 486). Eine Änderung ist durch das 2. Kostenmodernisierungsgesetz nicht eingetreten (vgl LSG Erfurt vom 11.6.2014 - L 6 SF 549/14 B = AGS 2014, 422; LSG Chemnitz vom 6.9.2013 - L 8 AS 1509/13 B KO = AGS 2013, 486; LSG Berlin-Potsdam vom 18.11.2013 - L 39 SF 221/13 B E).
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 10. Oktober 2014 wird verworfen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe
Der Senat konnte über das Ablehnungsgesuch der Beschwerdeführerin in der vom Geschäftsverteilungsplan festgelegten Besetzung der (auch abgelehnten) Richter des 6. Senats entscheiden, denn es ist offensichtlich rechtsmissbräuchlich (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11; BSG, Beschluss vom 19. Januar 20120 - B 11 AL13/09 C, BFH, Beschluss vom 25. August 2009 - V S 10/07, alle nach juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014 Rdnr. 10d).
Nach § 60 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Es kommt darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten. Nach § 60 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO kann ein Spruchkörper ausnahmsweise in alter Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheiden. Hierzu gehört die pauschale Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers (vgl. BSG, Beschluss vom 19. Januar 20120 - B 11 AL13/09 C m.w.N., nach juris). Hier hatten die Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 30. Oktober 2014 pauschal “alle Senatsmitglieder aller Senate„ des Thüringer Landessozialgerichts “insbesondere im Hinblick auf ihre bisherige Rechtsprechung zur Verfahrensgebühr bei der Untätigkeitsklage„ abgelehnt. Es kann dahingestellt werden, ob dieses Gesuch - entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut eines rechtskundigen Prozessbevollmächtigten - so ausgelegt werden könnte, dass nur die Senatsmitglieder des 6. Senats abgelehnt werden, die nach der Geschäftsverteilung allein für entsprechende Beschwerden zuständig sind. Auch dann wären die Ausführungen nicht im Ansatz geeignet, bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf die Befangenheit der Mitglieder des Spruchkörpers zu schließen. Ohne Bedeutung ist die Behauptung, die Rechtsprechung zur Verfahrensgebühr bei der Untätigkeitsklage (zitiert wird der Beschluss vom 25. Oktober 2010 - L 6 SF 652/10) sei “mehr als verfehlt„ und es sei “zu befürchten„, dass diese nicht aufgegeben werde.
Im Übrigen ist die Beschwerde unstatthaft.
Nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Das ist hier der Fall, denn nach § 197 SGG setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Prozessbevollmächtigten den Betrag der zu erstattenden Kosten fest (Absatz 1 Satz 1); gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet (Absatz 2). § 197 SGG regelt abschließend das Verfahren der Festsetzung der Kosten im Verhältnis der Beteiligten zueinander (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 197 Anm. 2) und verdrängt nach allgemeiner Meinung (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 30. September 2013 - L 6 SF 1481/13 B; Sächsisches LSG, Beschluss vom 6. September 2013 - L 8 AS 1509/13 B KO m.w.N., nach ...