Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Voraussetzung für das Vorliegen "derselben Angelegenheit" iS von § 15 Abs 2 RVG. Vorliegen eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit. Leistungen nach dem SGB 2. Vertretung mehrerer Kläger in mehreren Verfahren. Rücknahme der Bewilligung von Leistungen nach § 45 SGB 10 für die Vergangenheit
Orientierungssatz
1. Von derselben Angelegenheit iS des § 15 Abs 2 RVG ist regelmäßig dann auszugehen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang gegeben ist, dh wenn ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (vgl BSG vom 2.4.2014 - B 4 AS 27/13 R = SozR 4-1935 § 15 Nr 1).
2. Auch bei getrennten Klageverfahren kann „dieselbe Angelegenheit“ vorliegen (Anschluss an LSG Erfurt vom 15.4.2015 - L 6 SF 331/15 B, vom 6.1.2015 - L 6 SF 1221/14 B und vom 6.11.2014 - L 6 SF 1022/14 B).
3. Ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann bei Grundsicherungsleistungen nicht bejaht werden, wenn ein Verfahren die Rücknahme der Bewilligung von Leistungen nach § 45 SGB 10 für die Vergangenheit betrifft, was eine individuelle Prüfung der verfahrensrechtlichen und subjektiven Voraussetzungen bezüglich der einzelnen Kläger erfordert (vgl LSG Erfurt vom 14.3.2017 - L 6 SF 1185/15 B).
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. Dezember 2018 S 51 SF 272/16 E wird als unzulässig verworfen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das beim Sozialgericht Gotha anhängig gewesene Verfahren S 51 AS 5511/13 der von dem Beschwerdeführer vertretenen Kläger. Diese wandten sich gegen einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 25. Juli 2013.
Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung einer Vergütung i. H. v. 1.059,10 Euro. Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 14. Januar 2016 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 714,00 Euro fest. Hiergegen richtete sich die Erinnerung des Beschwerdeführers vom 18. Januar 2016. Mit Beschluss vom 27. Dezember 2018 hat das Sozialgericht die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung für das Klageverfahren auf 928,20 Euro festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 8. Januar 2019 Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, dass das Verfahren S 51 AS 5511/13 mit dem Verfahren S 31 AS 5510/13 gebührenrechtlich keine Einheit bilde und in beiden Verfahren die Höchstgebühr jeweils festzusetzen sei.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft, jedoch unzulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro nicht; die Beschwerde wurde auch nicht durch die Vorinstanz wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 und 2 RVG).
Der Beschwerdewert errechnet sich aus dem Unterschied zwischen der vor der Vorinstanz festgesetzten und der mit der Beschwerde geltend gemachten festzusetzenden Vergütung einschließlich der Umsatzsteuer. Das Sozialgericht hat die zu erstattende Vergütung auf 928,20 Euro festgesetzt. Der Beschwerdeführer hatte unter Berücksichtigung seiner Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren die Festsetzung der Vergütung auf 1.059,10 Euro beantragt. Der Beschwerdewert beträgt damit nur 130,90 Euro.
Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass die Verfahren S 51 AS 5510/13 und S 51 AS 5511/13 nicht als dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG angesehene werden können.
Von derselben Angelegenheit wird regelmäßig dann ausgegangen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R m. w. N., nach juris). Dies gilt auch für Individualansprüche nach dem SGB II; die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft löst lediglich eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG aus (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R, 21. Dezember 2009 - B 14 AS 83/08 R, 27. September 2011 - B 4 AS 155/10 R, juris; a.A. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, § 15 Rdnr. 23). Entscheidend ist, ob ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 6. November 2014 - L 6 SF 1022/14 B). Entsprechend hat das BVerwG im Urteil vom 9. Mai 2000 (11 C 1/99, juris) ausgeführt, „dieselbe Angelegenheit" komme vor allem in Fällen paralleler Verwaltungsverfahren in Betracht, wenn dieselbe Behörde Verwaltungsakte aus einem gemeinsamen Anlass und Rechtsgrund in engem zeitlichen Zusammenhang objektbezo...