Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung: Vergütungsanspruch im sozialgerichtlichen Verfahren. Bestimmung der Verfahrensgebühr innerhalb des Betragsrahmens

 

Orientierungssatz

1. Wurde im Rahmen einer anwaltlichen Vertretung im sozialgerichtlichen Verfahren nur ein tatsächlicher Sachverhalt dargestellt, ohne dass auch eine eingehenden rechtliche Würdigung erfolgte, so ist jedenfalls dann als Verfahrensgebühr innerhalb des Betragsrahmens eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr festzusetzen, wenn auch die Bedeutung der Angelegenheit für die vertretene Partei unterdurchschnittlich war.

2. Einzelall zur Ermittlung der Verfahrensgebühr als Teil der anwaltlichen Vergütung im sozialgerichtlichen Verfahren.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. April 2017 (S 28 SF 195/15 E) aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung der Beschwerdeführerin für das Verfahren S 28 AS 3160/12 auf 524,62 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für das beim Sozialgericht (SG) Nordhausen anhängig gewesene Verfahren S 28 AS 3160/12 in dem die Beschwerdeführerin die Klägerin zu 1. und den Kläger zu 2. vertrat.

Die Beschwerdeführerin erhob am 14. September 2012 beim SG Klage wegen "Leistungen nach dem SGB II" und beantragte Akteneinsicht. Mit Schriftsatz vom 14. November 2012 teilte Rechtsanwalt F. mit, die Beschwerdeführerin sei als alleinige Sachbearbeiterin erkrankt und deshalb an der Fertigung der Klagebegründung gehindert. Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2012 begründete die Beschwerdeführerin die Klage. Die den Klägern in dem Zeitraum vom 1. Juli bis 30. November 2012 bewilligten Leistungen seien insgesamt zu gering bemessen. Der in den Gehaltsabrechnungen der Klägerin ausgewiesene Abzug für die Wäsche der Arbeitskleidung in Höhe von 12,00 EUR mindere bereits den Nettolohn, so dass nur der geminderte Nettolohn bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden könne. Im Übrigen sei es auch nicht sachgerecht, bei der Höhe des Reinigungsbetrages die Werbungskostenpauschale nur mit 15,33 EUR monatlich anzusetzen. Die Einkommenssteuererstattung für das Jahr 2011 könne hier nicht auf die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) angerechnet werden. Mit Schriftsatz vom 11. April 2014 bat die Beschwerdegegnerin um Fortgang des Verfahrens. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14. Mai 2014, der von 12:10 Uhr bis 12:50 Uhr dauerte, bewilligte das SG den Klägern Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Kostenbeteiligung. Die Beschwerdeführerin nahm nach einem Hinweis der Vorsitzenden die Klage zurück.

Am 12. August 2014 beantragte sie die Festsetzung folgender Gebühren aus der Staatskasse:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG,

Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG zwei Auftraggeber

325,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

200,00 EUR

Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG

34,20 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG

20,00 EUR

Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG (Ablichtungen 180 Seiten)

44,00 EUR

Anrechnung Beratungshilfe § 58 RVG

-30,00 EUR

Zwischensumme

613,70 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

116,60 EUR

Gesamtbetrag

730,30 EUR

Sie verwies auf die gefertigten Schriftsätze und machte Ausführungen zur Angemessenheit der Mittelgebühren bezüglich der Nrn. 3102 und 3106 VV RVG.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 9. September 2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die zu zahlende Vergütung aus der Staatskasse auf 677,35 EUR (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 250,00 EUR, weiterer Auftraggeber Nr. 1008 VV RVG 75,00 EUR, Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR, Auslagen/Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR, Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 34,20 EUR, Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 20,00 EUR, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 113,85 EUR, Anrechnung hälftige Beratungshilfegebühr 35,70 EUR) fest. Die Kopierkosten nach Nr. 7000 Nr. 1a RVG seien nicht erstattungsfähig. Die Beschwerdeführerin habe nicht schlüssig dargelegt, welche Kopien für eine sachgemäße Prozessführung notwendig seien, sondern deren Bestimmung vollständig dem Gericht überlassen. Alle weiteren Gebühren seien antragsgemäß festgesetzt worden.

Gegen die Kostenfestsetzung hat die Beschwerdeführerin am 15. Dezember 2014 Erinnerung eingelegt. Bei den angesetzten Kopien handle es sich um solche aus der Verwaltungsakte. Die Kopien seien als erstattungsfähig anzusehen, ohne dass dies näher zu begründen wäre. Der Beschwerdegegner hat ebenfalls Erinnerung eingelegt und beantragt, die Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG auf 2/3 der Mittelgebühr (=113,33 EUR) festzusetzen. Die Beschwerdeführerin sei bereits im vorausgegangenen Widerspruchsverfahren tätig gewesen, so dass die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG entsta...

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